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Ein deutscher Bürgermeister für Timişoara

Reibebaum, Idealist, Fremdling? Dominic Fritz, der Bürgermeister, der die Sprache erst lernen musste und den lokalen Honoratioren die Sprache der Korruption ausreden möchte.
Reibebaum, Idealist, Fremdling? Dominic Fritz, der Bürgermeister, der die Sprache erst lernen musste und den lokalen Honoratioren die Sprache der Korruption ausreden möchte.Wikimedia (Petru Cojocaru)
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Ein Deutscher, knapp vierzig, führt Timişoara als Bürgermeister in das Kulturhauptstadtjahr.

Politische Gegner gestehen Bürgermeister Dominic Fritz zu, perfektes Rumänisch zu sprechen und keine lokalen Eliten zu bedienen. „Stimmt, ich kenne keine Baufirmen, uns fehlen die Netzwerke, was natürlich auch ein politischer Nachteil ist“, sagt Fritz, der täglich mit dem Fahrrad ins Rathaus kommt, „und mein Rumänisch verbessert sich täglich. Ich hab’ da einen ziemlichen Ehrgeiz, zu zeigen, ich wurde nicht mit dem Fallschirm über dem Land abgeworfen. Wenn ich von der Stadtverwaltung träume, tue ich das inzwischen auf Rumänisch.“

Dominic Fritz setzte sich bei der Bürgermeisterwahl am 27. September 2020 als Kandidat der Uniunea Salvaţi România (USR), einer proeuropäisch-liberalen, bürgerrechtszentrierten Schwesternpartei der NEOS, durch, obwohl – oder weil – sein Gegenkandidat die hässliche nationale Karte zog. „Wäre ja eine Überraschung, wenn meine deutsche Staatsbürgerschaft keine Diskussionen hervorgerufen hätte. Wichtig ist das aber nicht . . . wichtig ist, was herauskommt.“

In Rumänien ist Fritz, verheiratet mit einer chinesischen UNO-Mitarbeiterin und mit einjähriger Tochter, überregional bekannt. „Für mich ist es eher ein ungewohntes Gefühl, wenn ich nicht erkannt werde. Da ertappe ich mich schon einmal in Deutschland dabei, nach allen Seiten zu lächeln und Leute zu grüßen. Glauben Sie mir . . . das ist dann wirklich weird!“ Das Kulturhauptstadtjahr will Fritz nützen, um Nachhaltiges zu bewegen. „Ich möchte einfach Dynamiken anstoßen, Kultur als Motor einsetzen. Sie eignet sich gut, jeder hat etwas beizutragen.“

Widerstände gab es in den letzten Jahren ausreichend. „Als die Covid-Leugner ins Rathaus eindrangen oder in der Nacht vor meinem Privathaus Parolen skandierten, das war eine schwierige Zeit, nicht nur für mich. Natürlich haben insgesamt die Aggressionen zugenommen, doch in normalen Situationen ist der Grundrespekt in Timişoara sehr gut vorhanden.“ Und seine Pläne? „Die ­Verwaltung flexibler und bürgernäher zu machen. 2024 möchte ich die Wahl erneut gewinnen, und das werde ich auch. Ist doch sichtbar, dass die Stadt sich positiv entwickelt.“ 

("Die Presse Schaufenster" vom 03.02.23)

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