Erdbeben in der Türkei und Syrien

Erdbeben: Mehrere Überlebende nach neun Tagen unter Trümmern gerettet

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Eine Woche nach der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Toten bereits auf mehr als 40.000 gestiegen. Die Bergungsarbeiten werden noch immer fortgesetzt.

Neun Tage nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat ein niederländisches Rettungsteam nach eigenen Angaben vier Menschen lebend aus den Trümmern in der türkischen Stadt Antakya in der Provinz Hatay geborgen. Es gehe um drei Männer und ein Kind, teilte das Rettungshunde-Team RHWW am Mittwoch mit. Laut Medienberichten konnte auch in der Provinz Kahramanmaras eine Frau lebend aus den Trümmern geborgen werden.

In der Nacht seien ein Vater und sein Sohn gefunden worden, teilte das niederländische Team mit. Die beiden anderen Männer seien am Dienstagabend geborgen worden, nachdem die Hunde diese gewittert hatten. Die 45-jährige Frau sei Mittwoch früh in der Provinz Kahramanmaras gerettet worden, berichtete der staatliche Sender TRT. Sie war demnach 222 Stunden lang verschüttet.

Gut eine Woche nach der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Toten bereits auf mehr als 40.000 gestiegen. Alleine in der Türkei liege die Zahl bei 35.418, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi zufolge. Aus Syrien wurden zuletzt 5.900 Tote gemeldet. Tausende Menschen werden weiter vermisst.

Die Hoffnungen, noch Überlebende zu finden, schwinden immer weiter. Dennoch werden die Such- und Rettungsarbeiten fortgesetzt. In der stark betroffenen Provinz Hatay begannen unterdessen auch Aufräumarbeiten, wie eine Reporterin des Staatssenders TRT berichtete.

Zwei Millionen Euro Soforthilfe aus Österreich

Die österreichischen Bundesländer stellen unterdessen zwei Mio. Euro an Soforthilfe bereit. Der Betrag wird nach der Bevölkerungszahl unter den Ländern aufgeteilt. Die Abwicklung übernimmt die Austrian Development Agency (ADA), teilte Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, am Mittwoch per Aussendung mit. Ziel sei es, "den Menschen vor Ort schnellstmögliche Hilfe zukommen zu lassen", betonte Doskozil.

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Hilfen auf „kritischem Niveau"

Samantha Power, die Chefin der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe (USAID), sah indes in Syrien noch dringenden Hilfsbedarf für die Erdbebenopfer. "Trotz der Ankunft von 90 Hilfs-Transportern sinkt die Menge der humanitären Mittel in Lagerhäusern in Syrien auf ein kritisch niedriges Niveau", schrieb Power am Mittwoch bei Twitter. 350.000 Menschen seien jüngsten Schätzungen zufolge durch die Katastrophe vertrieben worden, schrieb die USAID-Chefin.

Die Freigabe zweier weiterer Grenzübergänge in die Türkei zur Verbesserung der humanitären Hilfe im Nordwesten des Landes sei eine gute Nachricht, schrieb Power. "Aber eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats bleibt der beste Weg, um sicherzustellen, dass Hilfe auf verlässliche Weise weiterhin fließen kann, selbst nachdem die Kameras nicht mehr da sind." Es brauche besseren Zugang zum Nordwesten, wo der Hilfsbedarf durch die "entsetzliche Zerstörung" schon vor den Beben enorm gewesen sei. Die Menschen bräuchten dringend Lebensmittel, Arzneimittel und Zelte als Unterkünfte.

Erdbeben in Syrien: „Es ist schlimmer als im Krieg“

Die Menschen in dem vom Regime umzingelten Kurdenviertel Aleppos warten verzweifelt auf Hilfe. Der Verein you-are-welcome versucht, das Leid zu lindern. Die „Presse“ hat mit Angehörigen der Erdbebenopfer gesprochen. Mehr dazu.

Syriens Präsident Bashar al-Assad hatte zwei weitere Grenzübergänge in die Türkei freigegeben. Bab al-Salam und Al-Ra'ee sollten für drei Monate geöffnet bleiben. Bisher war nur die Öffnung des Übergangs Bab al-Hawa von Damaskus autorisiert worden. Die Grenzübergänge liegen in Gebieten unter Kontrolle von Rebellen.

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Verzweifelte Suche nach Persönlichem

Mit der zunehmend schwindenden Hoffnung noch Überlebende zu finden, wenden sich die Menschen inzwischen auch einer anderen Aufgabe zu: der Suche nach ein paar Andenken und Erinnerungsstücken. In der syrischen Provinz Latakia suchten etwa Dutzende nach persönlichem Besitz unter den Trümmern. "Wir suchen nach Erinnerungsstücken, die wir in 30 Sekunden verloren haben beim kompletten Einsturz des Hauses", sagte Ahmed Ragab. "Nach diesem Erdbeben haben wir unsere Vergangenheit verloren", sagte Sainab Ali an der Seite ihres 15 Jahre alten Sohnes.

Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte ein erstes Beben der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr (MEZ) die Südosttürkei erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6.

APA/AFP/KARIM SAHIB

(APA/dpa)

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