Nicht recycelbaren Plastikmüll aus Europa zu exportieren, ist eigentlich verboten. Doch gerade gebrauchte Kleidung aus Europa wird oft in afrikanische Länder exportiert. Polyester und Nylon verschmutzen dort die Umwelt.
Kleidung von H&M, Nike, ein Teil von Yves Saint Laurent: Das ist nicht nur der Inhalt eines x-beliebigen Kleiderschrankes hierzulande, Kleidungsstücke dieser Art finden sich in zahlreicher Ausführung auch auf Müllhalden in Kenia.
Bilder von einer Müllhalde in der Hauptstadt Nairobi zeigen Textilmüll europäischen Ursprungs, der sich oft meterhoch stapelt und einen nahegelegenen Fluss verschmutzt, denn die meisten Kleidungsstücke haben hohe Anteile an synthetischen und Plastikstoffen. Über 300 Millionen verschmutzer oder unbrauchbarer Kleidungsstücke seien in den letzten Jahren allein nach Kenia exportiert worden, so die gemeinsame Einschätzung der Umweltorganisation Clean Up Kenya und der Investigativ-Plattform Wildlife, die in einer Recherche nicht nur das Ausmaß der Exporte, sondern auch die Lage vor Ort untersucht haben.
„Der Handel mit gebrauchter Kleidung ist zu einem sehr großen und wachsenden Teil Handel mit Müll. Das bezeichnet man als 'waste colonialism' und es sollte eigentlich illegal sein“, meint Betterman Simidi Muasia von der Organisation Clean Up Kenya.
Neue Strategie, alter Müll
Und tatsächlich hat die europäische Politik dem Textilmüll den Kampf angesagt: Zirkuläre Geschäftsmodelle, die Produzenten in die Verantwortung für Bestandteile und Lebensdauer ihres Produkts in die Verantwortung nehmen, werden in der im März 2022 vorgestellten Textilstrategie der Europäischen Union forciert. Der traditionellen Fast Fashion und der neuerdings erfolgreichen Ultra-Fast Fashion sowie den damit einhergehenden Missständen in der Produktion soll ein Ende gesetzt werden. Eine Maßnahme, die dringend notwendig ist, denn immerhin hat sich die Produktion von Kleidung zwischen den Jahren 2000 und 2014 verdoppelt. Obwohl das Bewusstsein für das Problem steigt, ändert sich das Kaufverhalten nur langsam.
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Der Strategie zufolge soll alte Kleidung wiederverwertet oder recycelt werden. Europäische Textilhändler sind dabei auf die Zusammenarbeit mit Recyclinganbietern angewiesen, die sich auch im Rahmen von Brancheninitiativen wie „Fashion for Good“ oder „Textiles 2030“ um mehr Nachhaltigkeit in der Mode - und Textilbranche bemühen. Neben Downcycling - also der Weiterverarbeitung gebrauchter Kleidung und der Rohstoffe, die sie enthalten, zu anderen Produkten - gehört zu ihrem Geschäftsmodell auch das Weiterverkaufen noch brauchbarer Kleidungsstücke auf dem wachsenden Second-Hand-Markt. Oft wird der Export gebrauchter Kleidung in den globalen Süden sogar als nachhaltig oder karitativ beworben.
Dass aus gebrauchter Kleidung wieder Kleidung wird, ist nach wie vor Zukunftsmusik: Im Jahr 2017 lag die Quote von kreislaufrecycelter Kleidung laut einer Branchenstudie der Unternehmensberatung McKinsey zwischen 0,1 und 1 Prozent. Das liegt vor allem an der komplexen Zusammensetzung moderner Kleidung: Mittlerweile bestehen zwei Drittel aller Kleidungsstücke aus Polyester oder ähnlichen, schwer wiederverwertbaren Fasern. Werden Kleidungsstücke aus diesen Bestandteilen auf Müllhalden entsorgt, löst sich das Plastik zu Mikropartikel auf, die so in die Umwelt gelangen oder dort schwere Schäden anrichten können.
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Von Europas Einkaufsstraßen auf Nairobis Müllhalden
Mit dem ansteigenden Konsum von Kleidung und Textilien in reichen westlichen Ländern, stieg auch der Export von gebrauchter, nicht mehr benötigter Kleidung nach Afrika. Heute werden etwa 112 Millionen Kleidungsstücke pro Jahr allein aus Europa nach Kenia exportiert, wie eine Analyse von Handelsdaten im Zuge der Recherche zeigt. Viele davon wurden in europäischen Ländern in dem Glauben, Gutes zu tun, „gespendet“.

In Kenia werden die Kleidungsstücke an ein komplexes System von Zwischenhändlern weitergereicht. Von der importierten Kleidung sei aber bis zu einem Drittel in so schlechtem Zustand, dass die Kleidungsstücke keinesfalls weiterverkauft werden können, sondern direkt auf Müllhalden landen oder zur Energieerzeugung verbrannt werden. Viele Kleidungsstücke werden in so einem verdreckten und kaputtem Zustand geliefert, dass an einen Weiterverkauf nicht zu denken ist.

Recyclinganbieter nutzen so eine Grauzone des Gesetzes, denn eigentlich ist es, gemäß der Basler Konvention aus dem Jahr 2019, wohlhabenden europäischen Ländern verboten, nicht-recycelbaren Plastikmüll in ärmere Länder zu exportieren.
Die meisten Exporte von gebrauchter Kleidung nach Kenia kommen aus Deutschland, mit einem jährlichen Volumen von über 10.000 Tonnen, Großbritannien und Polen. Österreich liegt mit einem Jahresvolumen von 17 Tonnen nur an 16. Stelle.
(chrima)