Abschlussbericht

Verfahrensrichter über ÖVP-U-Ausschuss: "Es ist sicherlich Korruption da"

Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl
Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl APA/TOBIAS STEINMAURER
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ÖVP-Fraktionsführer Hanger sieht die Vorwürfe gegen seine Partei "in Luft aufgelöst". Die Opposition und Verfahrensrichter Pöschl sind anderer Meinung.

Nachdem die Fraktionen im ÖVP-U-Ausschuss am Mittwoch von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) den vorläufigen Abschlussbericht erhalten haben, befand Andreas Hanger (ÖVP) die Vorwürfe gegen seine Partei für "in Luft aufgelöst". Anders sieht das Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal: "Es wurde sicherlich Korruption festgestellt, wenn auch nicht im erwarteten Ausmaß". Die Opposition sieht in dem Bericht keine Entlastung für die ÖVP.

Korruption sei überall wahrzunehmen, so auch bei Postenbesetzungen und Inseratenvergabe, so Pöschl. Der Bericht konnte hier aber nicht in die Tiefe gehen, weil das Strafverfahren zuständig sei und man nicht vorverurteilen wolle. ÖVP-Fraktionsführer Hanger, der sich durch den Bericht "fast zu einhundert Prozent bestätigt" fühlte, empfahl der Verfahrensrichter im Ö1-Journal "den Bericht noch ein bisschen genauer zu lesen".

"Stundenlange Geschäftsordnungsdebatten" nicht dienlich

Dass das Ausmaß der Erkenntnisse geringer sei als erwartet, liege unter anderem daran, dass Korruption sehr schwer nachzuweisen sei. Dem Erkenntnisgewinn nicht dienlich gewesen seien "stundenlange Geschäftsordnungsdebatten, die Zeit für Befragungen kosteten" und mehrere Entschlagungen von Auskunftspersonen, gegen die noch Verfahren bei der WKStA anhängig sind. Warum weder Sabine Beinschab, Sophie Karmasin noch Wolfgang Fellner geladen wurden, verstehe er nicht.

Anders als Hanger interpretierte den Abschlussbericht naturgemäß die Opposition. Wenn Hanger die Vorwürfe gegenüber seiner Partei nun als "in Luft aufgelöst" erachte, so habe dieser "ein Wahrnehmungsproblem", sagte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer zur APA. "Massives korruptives Verhalten liegt klar auf der Hand", so Krainer. Zu beachten sei aber auch, dass Pöschl Strafrichter sei, und sich überlege, ob es "für eine strafrechtliche Verurteilung reiche".

Den Empfehlungen des Abschlussberichts stehe er "teils-teils" gegenüber. Den unabhängigen Bundesstaatsanwalt oder die Abschaffung des Amtsgeheimnisses etwa heiße er gut, so Krainer. Ein "No-Go" sei hingegen, die "Einschränkung der Pressefreiheit", durch die Empfehlung, nicht mehr detailliert aus Ermittlungsakten berichten zu dürfen. Dass eben jene Empfehlung eine Forderung der ÖVP war, sei ihm nicht bewusst gewesen, meinte Pöschl. Er hätte damit einen "Denkanstoß" setzen wollen.

FPÖ sieht Forderung nach Verlängerung bestätigt

Nichts von diesem Vorschlag hält auch FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. "Man untersucht seit über einem Jahr umfassende Korruptionsfälle in der gesamten Republik - und die dritte Empfehlung von Vorsitz und Richter dazu ist lediglich: 'Medien sollen weniger darüber berichten können'. Das riecht leider sehr nach Bananenrepublik", wird er in einer Aussendung am Donnerstag zitiert. Genauso wenig hält Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper davon: "Medien unterliegen ohnehin sowohl rechtlich als auch in ihrer Selbstkontrolle strengen Regeln was den Umgang mit strafrechtlichen Vorwürfen angeht. Die Politik sollte sich weniger auf den medialen Umgang mit Chats und Strafakten konzentrieren sondern mehr damit, die darin ersichtlichen Missstände zu beheben."

Für Hafenecker ist der knapp 500 Seiten lange Bericht die Bestätigung seiner Forderung nach einer Fortführung des U-Ausschusses. Er übte abermals Kritik an Justizministerin Alma Zadić. Sie habe es "in ihrer bald vierjährigen Amtszeit nicht zuwege gebracht, durchgreifende Reformen und Veränderungen zu setzen", und damit das durch "zahlreiche SMS-Nachrichten im Stile von "Wer vorbereitet Gernot" (von Pilnacek an Blümels Ex-Kabinettschef Niedrist) oder mit dem ehemaligen Justizminister und VfGH-Richter Wolfgang Brandstetter" zerstörte Vertrauen der Bevölkerung in eine unabhängige Justiz wiederherzustellen.

Dem ÖVP-Fraktionsführer richtete Hafenecker aus: "Anstatt aus diesem Bericht endlich die notwendigen Schlüsse zu ziehen, verharrt die ÖVP lieber weiterhin in ihrem Paralleluniversum, wo es kein Schuldeingeständnis gibt und alle anderen Schuld am eigenen Fehlverhalten sind".

Ähnlich sieht das auch Krisper: "Die Aussagen aus dem ÖVP-Klub haben wenig mit dem Inhalt des Berichts zu tun und unterscheiden sich kaum von der Realitätsverweigerung, die wir schon mehr als ein Jahr über im Ausschuss hören mussten. Die deutlichen Aussagen zur schon alltäglichen Korruption bei Postenvergaben insbesondere im BMI kann man eigentlich nicht überlesen - ebenso wie die auch von uns längst gestellten Forderungen von Informationsfreiheit über Cooling-Off-Regeln bis zur Bundesstaatsanwaltschaft - alles Punkte, bei denen die ÖVP in der Regierung seit Jahren säumig ist."

(APA)

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