Das Schloss, das pittoreske Dorf Hogsmeade, der Verbotene Wald – alles ist liebevoll nachgebaut und kann mit dem Besen, per Hippogreif oder Thestral erkundet werden.
Rezension

Hogwarts Legacy: Das Spiel, das lebt

Zehn Jahre mussten Harry-Potter-Fans auf ein neues Videospiel aus dem magischen Universum warten. „Hogwarts Legacy" bricht jetzt schon alle Rekorde, erntet aber auch Kritik. Die „Presse“ hat 20 Stunden gespielt.

Langsam kommt der Hippogreif näher. Sein messerscharfer Schnabel ist nur wenige Zentimeter von unseren Gesichtern entfernt. Er zischt skeptisch, unsicher, ob er uns trauen kann. Schnell verbeugen wir uns tief vor dem majestätischen Tier, trauen uns nicht, den Blick zu heben.
Dann endlich die Erlösung. Wir spüren den warmen Atem des Hippogreifs auf unseren Wangen. Er akzeptiert uns, brummt uns zustimmend an. Wir dürfen ihn streicheln. Und schwingen uns schließlich auf seinem Rücken in die Lüfte.

Szenen wie diese kennt heutzutage die ganze Welt aus den Harry-Potter-Filmen und -Büchern. Jetzt können Fans sie mit dem Action-Rollenspiel „Hogwarts Legacy“ noch einmal auf eine ganz neue Art erleben. Spielerinnen und Spieler tauchen in das Hogwarts des 19. Jahrhunderts ein, genauer gesagt in das Jahr 1880 – also weit vor den Ereignissen rund um den „Jungen, der lebte“.

Harrys Vermächtnis

Die Welt der Hexen und Zauberer ist aber dieselbe und hat genau die gleiche Anziehungskraft. Alles beginnt in typischer „Harry Potter“-Tradition mit einer Eulenpost. Der Brief aus der Zauberschule ist da: Die Spielerin oder der Spieler wurden an der „Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei“ aufgenommen. Wenn die Titelmusik anklingt, kommt Gänsehautfeeling auf und für manche mit Sicherheit auch ein wenig das Gefühl, nach langer Zeit wieder nachhause zu kommen.

Wie schon für Harry Potter, gibt es auch diesmal einiges zu tun. Bösartige Kobolde bedrohen den Frieden im Land. Zudem erfahren wir, dass wir Spuren „alter Magie“ finden können, die vielleicht den Schlüssel im Kampf gegen das Böse darstellt. An dieser Stelle sei gesagt, dass „Hogwarts Legacy“ kein Werk von J. K. Rowling ist. Als Teil des Franchise hat Warner Bros. Games aber eng mit Rowlings Team zusammengearbeitet, sie verdient an dem Spiel. Das ist kritischen Stimmen ein Dorn im Auge. Sie wollen die Autorin aufgrund ihrer transfeindlichen Aussagen und der Parallelen, die die Kobolde mit dem antisemitischen Bild von geldgierigen Juden aufweisen, nicht unterstützen.

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Gespaltene Seelen

Um Kritik entgegenzuwirken, haben sich die Entwickler von Avalanche sichtlich Mühe gegeben, auf Diversity zu achten. Wer wir auf unserer Reise durch das Schuljahr sein wollen, bestimmen wir selbst. Die Spielfigur wird zu Beginn erstellt und alle äußerlichen Eigenschaften können bis auf kleinste Narben im Gesicht angepasst werden. Mitglieder der Online-Community „Wizarding World“ dürfen ihren virtuellen Charakter sogar importieren. Die Charaktere, die wir im Lauf des Spiels kennenlernen, sind diverser, als es in Harry Potter der Fall war. Die Namen stoßen vielen aber noch immer sauer auf: So heißt die Transperson im Spiel „Sirona“, der asiatischstämmige Hausmeister mit Nachnamen „Moon“.

Anschließend werden die Träume vieler Fans war und vor allem eine Frage klärt sich ein für alle Mal: Der legendäre sprechende Hut teilt uns, abhängig von der Beantwortung einiger Fragen, einem Hogwarts-Haus zu. Wir bekommen im entsprechenden, detailgetreuen Gemeinschaftsraum ein Bett zugeteilt und können mit den anderen Jugendlichen Freundschaften schließen. Je nachdem, welche Kontakte wir pflegen und welche Entscheidungen wir treffen, verändert sich unser Schicksal.

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Bezaubernder Augenschmaus

Andere, weniger belastete Klischees in „Hogwars Legacy“ gibt es aber auch: Wenn sich in und um Hogwarts die Jahreszeiten ändern und auf einmal alles mit Kürbissen dekoriert ist, ist es schwer, keine Lust auf ein molliges Butterbier zu bekommen. Bei winzigen Details, wie dem Schnee, der unter unseren Füßen schmilzt, können Spielerinnen und Spieler schon einmal ins Staunen kommen. „Hogwarts Legacy“ ist wirklich unheimlich schön anzusehen. Die Immersion, also das Eintauchen ins Spiel, fällt leicht, dadurch ist aber auch das Suchtpotenzial außergewöhnlich hoch.

„Hogwarts Legacy“ überrascht mit einer Detailtreue, die wir sonst nur aus Blockbustern wie „Wichter 3: Wild Hunt“ kennen und erinnert bei der breiten Auswahl an Nebenaufgaben und außergewöhnlichen Orten an ganz große Rollenspiel-Klassiker wie „Skyrim“, nur mit deutlich besserer Grafik. Das Schloss, das pittoreske Dorf Hogsmeade, der Verbotene Wald – alles ist liebevoll nachgebaut und kann mit dem Besen, per Hippogreif oder Thestral erkundet werden. Ruckler und Zuckler gibt es kaum, manchmal kommt es aber vor, dass die Spielfigur unter oder zwischen Objekten hängenbleibt und nur ein Neustart hilft. Der Hersteller arbeitet hier bereits an einem Patch.

Apropos Besen: Das beliebte Flugspiel Quidditch gibt es zur Enttäuschung vieler Fans nicht. Dafür dürfen wir aber Flugstunden besuchen und mit unseren Besen Geschicklichkeitsübungen absolvieren. Auch die anderen Schulfächer aus „Harry Potter“ sind vertreten: So können wir Zaubertränke brauen, Alraunen züchten oder uns in Verteidigung gegen die dunklen Künste üben. Der Raum der Wünsche dient uns dabei als Spielplatz, den wir beliebig einrichten können. Hier gibt es auch eine idyllische Wiese für unsere einfangenen, magischen Tierwesen, die wir dort striegeln und füttern können.

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Monstermäßiges Geduldstraining

Auch wenn es sich um Jammern auf hohem Niveau handelt – manche Kleinigkeiten in „Hogwarts Legacy“ können aber auf die Dauer auch ordentlich nerven: Die Karte ist nicht sehr intuitiv, oft müssen wir das Ziel lange suchen. Hierbei hilft es, wenn einem das Schloss aus den Filmen bereits bekannt ist. Die Zaubertränke können sich auch zum Ärgernis entwickeln: Bis sie fertig gemischt sind, dauert es manchmal zehn Minuten, die wir uns dann anderweitig beschäftigen müssen. Dann können wir das Gebräu erst wieder abholen und vergessen dabei vielleicht, was wir gerade entdeckt haben.

Generell ist viel Geduld angesagt: Viele Fähigkeiten und Zaubersprüche erlernen wir erst in der zehnten Spielstunde oder später. So gibt es unzählige Rätsel über die wir stolpern, aber erst später lösen können. Bei bis zu 40 Stunden Spielzeit für die Hauptgeschichte und noch deutlich mehr mit allen Nebenaufgaben sorgt das aber immerhin dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Lediglich ein Notizbuch ist vielleicht notwendig, um bereits entdeckt, aber noch verschlossene Ort wiederzufinden.

Spektakel aus Licht und Ton

Alle bekannten Zaubersprüche aus Harry Potter können in „Hogwarts Legacy“ erlernt werden und verwandeln die Kämpfe in ein wahres Spektakel aus Licht und Ton. Auf der PlayStation 5 wirken die Duelle besonders eindrucksvoll - hier kommen die Soundeffekte aus dem Controller, unserem Zauberstab. Auch die unverzeihlichen Flüche bis hin zu Avada Kedavra, dem Todesfluch, können ausgeführt werden - sofern sich Spielerinnen und Spieler dafür entscheiden.

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Das ist nicht immer leicht: So stehen wir im Laufe der Geschichte immer wieder vor großen moralischen Fragen. Sollen wir den Folterzauber Crucio auf uns selbst wirken oder auf unseren Mitschüler, um ein Rätsel zu lösen? Auch kommt es bei der großen Auswahl an Sprüchen und bis zu vier ausrüstbaren Waffenrädern relativ schnell vor, dass wir uns verdrücken. In den Harry Potter-Spielen aus den 2000ern war das besser gelöst: Hier mussten mit dem Stick die Bewegungen des Zauberstabs nachgeahmt werden. Dem Titel Action-Rollenspiel macht „Hogwarts Legacy“ aber auf jeden Fall alle Ehre.

Mit Elementen, die an Sims oder Nintendogs erinnern, bedient „Hogwarts Legacy“ die Fans vieler Arten von Videospielen und schafft sich somit eine unwahrscheinlich breite Fanbasis, die nicht nur Fans des Harry Potter-Universums anspricht. Schon jetzt steigt die Anzahl der Menschen, die gleichzeitig spielen, ständig. Welche Rekorde „Hogwarts Legacy“ noch bricht, bleibt abzuwarten. Mit Potenzial für eines der Spiele des Jahres hat es sich aber bereits jetzt einen Stockerlplatz verdient.

Für 59,99 Euro können PS5-, Xbox Series X- und PC-Spielerinnen und Spieler die riesige Welt rund um Hogwarts schon jetzt erkunden. Am 4. April folgt die Version für PS4 und XboX One, am 25. Juli für die Switch.

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