Erdbeben

Hatay - die letzte Provinz der Türkei

Blick auf Antiochia am Orontes / Antakya Ende des 19. Jahrhunderts.
Blick auf Antiochia am Orontes / Antakya Ende des 19. Jahrhunderts. Sepia Times/Universal Images Gro
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Das fatale Erdbeben zerstörte große Teile der südwestlichen Provinz Hatay. Der ehemalige Sandschak Alexandrette kam erst spät zur neu gegründeten Republik, eine subtile Entfremdung zu Ankara besteht bis heute. Die Geschichte einer außergewöhnlichen Region.

Im Istanbuler Dolmabahçe-Palast, einst prächtige Residenz der Sultane, nun Mahnmal einer vergangenen Ära, verfasste Mustafa Kemal Atatürk im September 1938 seinen letzten Willen. Der Gründer der modernen Türkei war zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank, in Istanbul weilte er für die Behandlung seiner Leberzirrhose. Nahezu zeitgleich, als Atatürk sein Testament niederschrieb, wurde im fernen Antakya das Parlament des Staates Hatay eröffnet, eines Staates, der nicht einmal ein Jahr existieren sollte. Atatürk muss wohlwollend auf die Entwicklungen im Südosten des Landes geblickt haben, diente doch dieses Regionalparlament dem Ziel, dieses Stückchen Erde an der syrischen Grenze der neuen Türkei zuzuführen.

Das passierte schließlich im Sommer 1939. Hatay kam als letzte Provinz zur Türkei, als letztes Puzzlestück des Landes, das Atatürk und seine Mitstreiter gestaltet haben. Mustafa Kemal selbst sollte die Eingliederung nicht mehr erleben, er verstarb im November 1938 im Dolmabahçe-Palast unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Doch ein Ausspruch des Staatsgründers brannte sich ins kollektive Gedächtnis ein: „Hatay bleibt meine persönliche Angelegenheit.“ Heute, zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben, das insbesondere die Provinz Hatay großflächig zerstört hat, laufen Spendenaktionen unter ebendiesem Motto: „Hatay bleibt unsere persönliche Angelegenheit.“

Türkisches Kernland. Hatay, das antike Antiochia, eines der Zentren von Byzanz, befand sich nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches im Einflussbereich Frankreichs: Sowohl im Sykes-Picot-Abkommen (1916) und später im Vertrag von Sèvres (1920) sicherte sich Frankreich den Sandschak Alexandrette als Teil des französischen Mandatsgebiets Syrien, und besonders wichtig war die Kontrolle des Hafens von Alexandrette, dem heutigen Iskenderun. Bekanntlich meldeten nach dem Zerfall des Osmanischen Reichs neben Frankreich auch Großbritannien und Griechenland Gebietsansprüche auf das ehemalige Großreich der Sultane an, so auch Armenier im Osten, die Italiener hatten die südliche Mittelmeerküste als wirtschaftliche Einflusszone im Blickfeld. Den Kurden wurde in Sèvres noch Autonomie versprochen, und was vom Osmanischen Reich zurückblieb, war ein Drittel jenes Landes, das die heutige Türkei ausmacht, gerade einmal einen Teil Anatoliens umfassend.

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