Morgenglosse

Wenn der Doskozil mit dem Bund wedelt

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) APA/ROLAND SCHLAGER
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Der burgenländische Landeshauptmann erteilt dem Gesundheitsminister nonchalant ein Diskussionsverbot. Das Problem: Niemandem kommt das komisch vor.

Zu Beginn eine wenig gewagte These: In der hinter uns liegenden Pandemie hat sich das föderale System Österreichs nicht gerade glänzend bewährt. Innerhalb weniger hundert Kilometer gab es ganz ohne Schengen-Außengrenzen zig unterschiedliche Corona-Regeln. Oder um in der Ostregion zu bleiben: innerhalb von ein paar tausend Metern. Vorhandene Strukturen blieben ungenützt oder wurden gar umgangen, um mit viel Steuergeld in Windeseile neue aufzubauen. Daraus ergab sich auch kein Wettbewerb Bundesland gegen Bundesland, um das beste System für alle zu übernehmen, sondern es wurde etwa munter in neun verschiedenen Geschwindigkeiten weitergegurgelt. Ob das Ergebnis des PCR-Tests dann in zwölf Stunden, in 36 oder gar nicht eintraf, lag an …siehe oben. Pressekonferenzen des Bundes mit für das Leben aller vitalen Informationen gerieten regelmäßig zur Selbstdarstellung von Bundescheckern, Landesoberen und Regionalmeistern. Statt dass eine kompetente Person knapp und verlässlich Auskunft gegeben hätte.

Nun, wo gerade die Lehren aus den drei Pandemie-Jahren gezogen werden, um beim nächsten Mal (drei Mal auf Holz geklopft) besser dazustehen, fällt eines auf: richtigerweise wird über vielleicht unnötige Lockdowns, fragwürdige Schulschließungen, überschießende Impfpflichten, das Für und Wider einer Maskenpflicht diskutiert und das Verhältnis von wissenschaftlichen Gewissheiten und politischen Notwendigkeiten diskutiert. Von der Frage, ob die Bund-Länder-Struktur sich angesichts des Virus bewährt hat (educated guess: nicht so toll), ist allerdings nicht viel zu hören.

Warum das so ist, wird klar, wenn man sich die jüngsten gesundheitspolitischen Scharmützel zu Gemüte führt. Da hat sich der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch zusammen mit dem für Digitalisierung zuständigen Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) doch glatt überlegt, ob es nicht gescheiter wäre, das Gesundheitssystem mit ohnehin vorhandenen, aber bisher nicht verknüpften Gesundheitsdaten zentraler und dadurch effizienter zu steuern als bisher. Die Absage - was sonst - aus den Bundesländern kam postwendend und in einer Tonalität, bei der einem die Ohren schlackern. Burgenlands Hans Peter Doskozil, gerade Vorsitzender der ellbogigen Landeshauptleutekonferenz, ließ Rauch via Radio ausrichten: Über Verschiebung von Kompetenztatbeständen werde „mit Sicherheit“ nicht diskutiert, man führe lediglich Finanzausgleichsverhandlungen. Das sind jene Gespräche, in denen die Herren und die Dame Landeshauptleute den Bund quer über den Verhandlungstisch wissen lassen, wieviel Euro Steuergeld demnächst nach Eisenstadt und anderswohin zu überweisen wären.

Keine Sorge, es geht hier nicht um ein undifferenziertes Föderalismus-Bashing. Aber zwischen völliger Zentralisierung und teuren, die Sache gefährdendem Kompetenzwirrwar gibt es noch mindestens 50 Grauschattierungen, um das Zusammenspiel von Gebietskörperschaften zeitgemäß und effizient zu organisieren. Und zwischen der Kraftmeierei Doskozils und ein wenig Nachdenklichkeit, Demut und Selbstkritik nach den teilweise doch beängstigenden Erfahrungen mit der Hilflosigkeit im Umgang mit der Pandemie passen mindestens die 600 Kilometer Distanz zwischen Bregenz und Wien.

Längst erwartet niemand mehr einen Österreich-Konvent, in dem veraltete Strukturen daran angepasst werden, was ein modernes Staatswesen im 21. Jahrhundert braucht. Aber man hätte schon gehofft, dass Mikl und die starken Männer einmal einen oder gar zwei Schritte zurückmachen, Selbst- mit Fremdbild abgleichen und die übersteigerten Vorstellungen von der eigenen Bedeutung den Bedürfnissen des Gemeinwesens unterordnen. Das sich diese Struktur so nicht mehr leisten kann und will.

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