Bitcoin & Banken

Banker Andreas Treichl: „Bitcoin wird nicht verschwinden“

Andreas Treichl
Andreas TreichlImago/PuzzlePix
  • Drucken

Bitcoin sei vielfach ein Spekulationsobjekt, kritisiert der Banker Andreas Treichl in der Diskussion mit Bitcoinpodcaster Niko Jilch. Doch sei es positiv, dass der Überregulierung im Bankensektor etwas entgegengesetzt werde. Die Staaten würden sich aber nicht entmachten lassen.

Wien. Bitcoin hat in den vergangenen Wochen ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben. Zeitweise ist der Preis wieder auf über 25.000 Dollar geklettert. Auch wenn er sich dort nicht halten konnte: Inzwischen ist klar, dass die Krisen im Kryptosektor (die Pleiten der Kryptofirmen FTX und Genesis oder der Zusammenbruch des Stablecoins von Terra-Luna) Bitcoin nicht den Todesstoß versetzt haben. Bitcoin ist gekommen, um zu bleiben.

Dieser Ansicht ist auch Andreas Treichl, langjähriger Chef der Erste Group und mittlerweile Aufsichtsratsvorsitzender der Erste Stiftung und Präsident des Forum Alpbach. „Ich bin überzeugt, dass Bitcoin nicht verschwinden wird“, sagte er im Gespräch mit dem Bitcoinexperten Niko Jilch, der ihn für seine Interviewreihe „Was Bitcoin bringt“ befragt hatte.

„Auch zum Spekulieren“

Ganz teilt Treichl dessen Begeisterung für die dezentrale Digitalwährung aber nicht. „Bitcoin und die ganze Kryptowelt haben ihre Licht- und Schattenseiten“, sagt er. Bitcoin sei es ähnlich wie Hedging ergangen. In den Achtzigerjahren sei die Praxis aufgekommen, dass man sich Preise absichert, indem man derivative Produkte kauft. Aber alles, was zur Absicherung verwendet wird, könne auch zum Spekulieren verwendet werden. Das Gleiche sei mit Bitcoin passiert. Man wollte eine freie Währung schaffen, die Innovation sei aber missbraucht worden.

Treichl räumt aber ein, dass Bitcoin in vielen Fällen auch „extrem unterstützend“ sein könne. Nicht nur in Ländern, in denen die Ersparnisse mit unglaublicher Geschwindigkeit von der Inflation aufgefressen werden oder wo es massive Transferrestriktionen gibt, sondern durchaus auch in Europa, wo die Bankenwelt „unfassbar niederreguliert“ sei. Finanzinstitute und ihre Kunden würden durch diese Überregulierung teilweise entmündigt. Die Kryptowelt könne aber noch lang nicht so reguliert werden wie die offizielle Finanzwelt: „Darauf kann viel Interessantes aufbauen.“ Treichl kann nicht nur Bitcoin, sondern auch Ethereum mit seinen „Smart Contracts“ einiges abgewinnen. Die Blockchain sei eine bahnbrechende Technologie, die zu einer besseren Verteilung der Erträge führen könne. Sie könne es ermöglichen, dass den Produzenten mehr bleibt, die Konsumenten weniger zahlen und dafür die Mittelsmänner weniger kassieren.

„Schnell viel Geld machen“

Was den Banker „ein bisschen stört“, ist, dass Bitcoin bei der jungnen Generation dazu beigetragen habe zu glauben, man könne schnell Geld machen. Das betreffe aber nur einen Promillesatz von Menschen. Die meisten müssten langfristig vernünftige Vorsorge machen. Treichl hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass Bitcoin auch davon Teil sein wird. „Ich glaube, dass wir in Europa eine offenere Einstellung gegenüber Bitcoin haben sollten.“ Allerdings bedürfe es einer Regulierung. Im Übrigen sieht sich Treichl als „zu alt, um zu glauben, dass wir in eine Welt kommen, in der es keinen Dollar, Euro oder Renminbi mehr geben wird“. Die Staaten würden sich das Recht, Geld zu drucken, nicht wegnehmen lassen. „Ich weiß, dass es einige Vertreter der Bitcoin-Philosophie gibt, die davon träumen, dass die Wirtschaft Teile der Macht der Staaten übernehmen kann.“

Das denkt allerdings auch Jilch nicht. Im Bitcoin-Whitepaper stehe nichts von der Abschaffung des Dollar, sondern nur von einer Währung, die kein Vertrauen in zentrale Instanzen braucht. Bitcoin könnte im Sinne von „Checks and Balances“ gegen Überregulierung funktionieren.

Die geplanten Zentralbankwährungen (CBDCs) sind für Treichl der „Versuch, der Entwicklung von digitalen Währungen eine staatliche Konnotation zu geben“. Er sieht darin aber „nicht das Problem, mit dem wir uns in Europa beschäftigen müssen“. Europa müsse vielmehr dringend energieautarker werden und auch in Sachen Verteidigung unabhängiger von den USA. Europa sei in den Neunzigerjahren nicht einmal fähig gewesen, einen Konflikt zwischen kleinen Staaten auf dem Balkan ohne die Hilfe der USA zu lösen. Europa sollte von niemandem abhängig sein – weder in Sachen Energie noch in Sachen Verteidigung. Auch müssten Kapitalmarkt und Unternehmen gestärkt werden.

„Ideologie beginnt zu früh“

Treichl wünscht sich „ein friedliches Europa, das eine Weltmacht ist“. Das wäre auch gut für die Welt. Denn Europa sei noch immer der demokratischste Kontinent. In den USA sei hingegen die Spaltung der Gesellschaft bedenklich. Gesundheitssystem und Bildung seien in Europa besser als anderswo. Aber „es kann ja nicht sein, dass wir nicht beides schaffen“. Teilweise sei es aber schon schwierig, über solche Themen zu reden. „Ideologie beginnt bei uns viel zu früh.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.