Krieg in der Ukraine

Bidens unangekündigter Spaziergang in Kiew: "Putin lag völlig daneben"

US-Präsident Joe Biden traf in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij. Vor dem Michaelskloster wurde für Fotos posiert, als Luftalarm aufheulte.
US-Präsident Joe Biden traf in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij. Vor dem Michaelskloster wurde für Fotos posiert, als Luftalarm aufheulte.APA/AFP/DIMITAR DILKOFF
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Der Besuch des US-Präsidenten war im Vorfeld geheim gehalten worden - und von Luftalarm begleitet. Biden kündigt ein neues Hilfspaket an und lobt die Ukrainer für ihren Verteidigungswillen: „Die Welt steht mit euch.“

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat US-Präsident Joe Biden erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor fast einem Jahr die Ukraine besucht. Bei dem mehrstündigen Aufenthalt in der Hauptstadt Kiew versicherte Biden Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere Unterstützung. Er kündigte auch neue Sanktionen gegen Russland an. Zusammen mit Selenskij gedachte er der ukrainischen Gefallenen. Am frühen Nachmittag verließ Biden Kiew wieder.

An diesem Freitag ist es genau ein Jahr her, dass Russland seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland begann. Trotz Luftalarms spazierten die beiden Staatschefs am Vormittag auch gemeinsam durch die Stadt. Der US-Präsident lobte insbesondere den Verteidigungswillen der Menschen in der Ukraine. "Ein Jahr danach hält Kiew stand. Und die Ukraine hält stand. Die Demokratie hält stand." Nach Angaben von mitgereisten US-Journalisten fügte er hinzu: "Die Amerikaner stehen mit Euch, und die Welt steht mit Euch."

Selenskij dankte bei einem gemeinsamen Statement im Marien-Palast für einen "Besuch in schwierigsten Zeiten" und sprach von einem "extrem wichtigen Zeichen der Unterstützung für alle Ukrainer". Er sagte demnach auch: "Diese Unterhaltung bringt uns dem Sieg näher." Zugleich bat er um weitere militärische Unterstützung.

Joe Biden sprach in Kiew mit dem ukrainischen Regierungschef, Wolodymyr Selenskij.
Joe Biden sprach in Kiew mit dem ukrainischen Regierungschef, Wolodymyr Selenskij.via REUTERS

Biden ging bei einem gemeinsamen Statement mit Selenskij im Marien-Palast auch auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin ein. "Putin hat gedacht, dass die Ukraine schwach sei und der Westen unterschiedlicher Meinung", gaben ihn mitgereiste US-Reporter wieder. "Er lag einfach völlig daneben. Den Beweis sieht man ein Jahr später hier in diesem Raum. Wir stehen zusammen."

Russland war am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert und führt seitdem einen brutalen Angriffskrieg. In den vergangenen Wochen war bereits spekuliert worden, dass Biden eine für Dienstag angekündigte Reise nach Polen mit einem Besuch in der Ukraine verbinden könnte. Das Weiße Haus hatte mehrfach erklärt, das sei nicht geplant. Hochrangige Reisen in Krisengebiete werden allerdings üblicherweise bis zum letzten Moment geheimgehalten.

US-Hilfspaket für die Ukraine: 500 Millionen Dollar

Bei seinem Treffen mit Selenskij kündigte Biden nach Angaben eines kleinen Pools mitreisender Reporter ein weiteres Hilfspaket für Kiew im Umfang von einer halben Milliarde US-Dollar an. Es werde auch Munition für die Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ Himars sowie Panzerabwehrsysteme und Luftüberwachungsradar enthalten, hieß es. Selenskij sagte, er habe mit Biden auch über eine Lieferung von Langstrecken-Raketen gesprochen. Der US-Präsident stellte außerdem in Aussicht, dass es noch im Laufe der Woche weitere Sanktionen gegen Russland geben wird. Auch hier nannte er zunächst keine Einzelheiten. Parallel dazu berieten auch die EU-Außenminister in Brüssel über neue Strafmaßnahmen.

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie Minister aus anderen Ländern hatten die Ukraine in den vergangenen Monaten seit Kriegsbeginn bereits besucht - einige auch mehrfach. Auch aus den USA waren bereits Regierungsmitglieder dort, ebenso Bidens Ehefrau Jill. Als Präsident war Biden zuvor noch nie in der Ukraine. Für ihn gelten generell deutlich höhere Sicherheitsanforderungen.

Der erste Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine

Dass er seinen Besuch nun unmittelbar vor den ersten Jahrestag legte, hat hohen Symbolwert - als Zeichen der Unterstützung des wichtigsten und mächtigsten Verbündeten. In den vergangenen Monaten hatten die Amerikaner in rasanter Abfolge diverse Pakete mit Waffen und Munition in milliardenschwerem Umfang auf den Weg gebracht. Nach Angaben des Pentagons haben sie seit Kriegsbeginn militärische Hilfe im Umfang von fast 30 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder zugesagt. Dazu gehören auch verschiedene schwere Waffensysteme.

Biden und seine Regierung haben der Ukraine zugesichert, ihr auch langfristig beizustehen - solange es nötig sei. Dies hatte die US-Regierungszentrale auch als Kernbotschaft für Bidens Besuch in Polen ausgegeben. Nun überbrachte er diese persönlich in Kiew.

Biden reist nach Polen weiter

Am Dienstag und Mittwoch plant Biden Gespräche in der polnischen Hauptstadt Warschau. Vorgesehen sind nach Angaben des Weißen Hauses ein Treffen mit Polens Präsident Andrzej Duda sowie eine Rede am frühen Abend vor dem Warschauer Königsschloss. Am Mittwoch will Biden zudem mit Vertretern weiterer osteuropäischer Nato-Staaten zusammenkommen.

Biden und Selenskij: Eine Umarmung zu Beginn des Besuchs in Kiew.
Biden und Selenskij: Eine Umarmung zu Beginn des Besuchs in Kiew.REUTERS

Für seine Rede in Warschau hat Biden mit dem Königsschloss nicht nur einen besonderen historischen Ort gewählt: Das Schloss gilt als Symbol der im Zweiten Weltkrieg einst von Nazi-Deutschland großteils zerstörten und später wiederaufgebauten Stadt. Biden hat auch einen besonderen Zeitpunkt gewählt. Der russische Präsident Wladimir Putin will sich am Dienstag mit einer Rede an die russische Nation wenden. Die beiden politischen Widersacher liefern sich also eine Art Fernduell.

Der US-Präsident hatte Polen zuletzt Ende März 2022 besucht, rund einen Monat nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine. Schon damals hatte Biden vor dem Warschauer Königsschloss eine viel beachtete Rede gehalten. Darin versicherte er der Ukraine Beistand und griff Putin scharf an. Für viel Wirbel sorgte damals eine Aussage Bidens zu Putin, die das Weiße Haus später relativierte: "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben." Die US-Regierungszentrale stellte später klar, Biden habe damit nicht zum Sturz Putins aufgerufen.

(APA/dpa/Reuters)

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