Rede zur Lage der Nation

Putin gibt dem Westen die Schuld am Krieg gegen die Ukraine

Wladimir Putin hielt seine Rede zur Lage der Nation - live im Fernsehen im ganzen Land und in der ganzen Welt beobachtet.
Wladimir Putin hielt seine Rede zur Lage der Nation - live im Fernsehen im ganzen Land und in der ganzen Welt beobachtet.APA/AFP/YURI KADOBNOV
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Der russische Präsident Putin will die Offensive in der Ukraine "systematisch" fortsetzen: Putins „spezielle Militäroperation" in der Ukraine kämpfe für die Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Die westlichen Eliten seien „wahnsinnig geworden“, sagt er in der Rede zur Lage der Nation.

Knapp ein Jahr nach Beginn der russischen Offensive in der Ukraine hat Kreml-Chef Wladimir Putin dem Westen vorgeworfen, Russland "ein für alle Mal erledigen" zu wollen. In seiner Rede zur Lage der Nation sagte Putin am Dienstag in Moskau: "Die westlichen Eliten halten ihr Ziel nicht verborgen: Russland eine strategische Niederlage zuzufügen, das heißt, uns ein für alle Mal zu erledigen." Russland werde aber seine Offensive "sorgfältig und systematisch" fortsetzen, so Putin.

Die Ziele des Militäreinsatzes werde man so "Schritt für Schritt" erreichen. Für die Eskalation des Ukraine-Konflikts machte Putin den Westen "voll" verantwortlich. Der russische Präsident hob hervor: "Die Verantwortung für das Schüren des Ukraine-Konflikts, für seine Eskalation, für die vielen Opfer (...) liegt voll bei den westlichen Eliten." Dabei wiederholte er auch seinen Vorwurf, dass der Westen in der Ukraine neonazistische Kräfte unterstütze, um dort einen anti-russischen Staat zu etablieren.

Die russischen Streitkräfte haben seit Monaten in der Ukraine Mühe, bei ihrer Offensive voranzukommen, obwohl Putin im vergangenen Jahr zusätzlich Hunderttausende Reservisten mobilisiert hatte. "Ich spreche zu Ihnen in einem schwierigen und entscheidenden Moment für unser Land, in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen überall auf der Welt", sagte Putin zu Beginn seiner Rede in Moskau.

Vor den politischen Eliten des Landes und Militärvertretern, die in der Ukraine gekämpft haben, dankte er "dem ganzen russischen Volk für seinen Mut und seine Entschlossenheit". Zugleich warnte er vor dem Hintergrund der Unterdrückung jeglicher Kritik am Ukraine-Einsatz und am Kreml in Russland, dass "Verräter" zur Rechenschaft gezogen würden.

Putin kündigt Modernisierung der Armee an

Putin kündigte zudem eine Modernisierung der russischen Armee an. "Der Ausstattungsgrad der nuklearen Abschreckungskräfte Russlands mit neuesten Systemen beträgt jetzt 91,3 Prozent", sagte Putin in seiner am Dienstag im russischen Staatsfernsehen übertragenen Rede zur Lage der Nation. "Nun - unter Berücksichtigung unserer gesammelten Erfahrungen - müssen wir ein solch hohes Qualitätsniveau in allen Teilen der Streitkräfte erreichen", fügte er hinzu.

Mit Blick auf die internationalen Sanktionen gegen Russland äußerte Putin die Ansicht, dass der Westen "nichts erreicht hat und nichts erreichen wird". Die russische Wirtschaft hat bisher besser Stand gehalten als von vielen Experten erwartet. "Wir haben die Stabilität der wirtschaftlichen Situation sichergestellt", sagte Putin. Dem Westen sei es nicht gelungen, "unsere Gesellschaft zu destabilisieren".

Dem Westen wiederum hielt er vor, das eigene Volk kaputtzumachen - durch "die Zerstörung der Familien, der kulturellen und nationalen Identitäten, die Perversion und Misshandlung von Kindern bis hin zur Pädophilie". Priester müssten zudem homosexuelle Paare segnen. "Die Eliten sind einfach wahnsinnig geworden, das kann man nicht mehr heilen“, echauffiert sich Putin.

Wladimir Putin während seiner Rede in Moskau.
Wladimir Putin während seiner Rede in Moskau.APA/AFP/SPUTNIK/MIKHAIL METZEL

Präsidentenwahl „in strikter Übereinstimmung mit dem Gesetz"

Die Präsidentenwahl im kommenden Jahr wird nach den Worten Putins fair ablaufen. Sie werde "in strikter Übereinstimmung mit dem Gesetz und unter Einhaltung aller demokratischen Verfassungsverfahren abgehalten" werden, sagt er vor dem Parlament. "Wir alle müssen unsere Anstrengungen, unsere Verantwortung und unsere Rechte bündeln, um ein historisches höchstes Recht zu wahren: das Recht Russlands, stark zu sein." Dafür spenden ihm die Abgeordneten stehend Beifall.

Der Strukturwandel in der russischen Wirtschaft infolge des Krieges sei längst überfällig, so Putin. Er begrüßte, das Ende der Abhängigkeit russischer Unternehmen vom Westen. Eine solche Abhängigkeit sei gefährlich, sagt er in seiner Rede zur Lage der Nation. Die Firmen sollten mehr zu Hause in Russland investieren. Kein einfacher Russe bedauere es, dass die Zeiten, in denen reiche Russen Jachten und Paläste im Westen als sichere Häfen gekauft hätten, vorbei seien, fügt Putin hinzu. Der Westen hat seine Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wegen des Ukraine-Kriegs weitgehend gekappt und umfangreiche Sanktionen verhängt. Russland hat im Zuge dessen angekündigt, seine Wirtschaft unter anderem stärker nach Asien auszurichten.

Auch in Sewastopol auf der Krim ist Putins Rede zur Lage der Nation live zu sehen.
Auch in Sewastopol auf der Krim ist Putins Rede zur Lage der Nation live zu sehen.REUTERS

Beteiligung an Atomwaffen-Kontrollvertrag ausgesetzt

Im letzten Abschnitt seiner Rede erklärte Putin, es sei unangebracht für den Westen, das russische Atomarsenal zu inspizieren, während man die Ukraine mit Waffen ausstattet und im Konflikt mit Russland sei. "In diesem Zusammenhang sehe ich mich gezwungen, heute anzukündigen, dass Russland seine Teilnahme am Vertrag über strategische Offensivwaffen aussetzen wird", sagte Putin. Es handle sich nicht um einen Ausstieg, sondern um eine Aussetzung des "New Start"-Vertrags, sagte Putin.

Der russische Staatschef hält traditionell jedes Jahr eine Rede zur Lage der Nation vor den russischen Abgeordneten, in der er eine Bilanz des vergangenen Jahres zieht und neue strategische Ziele festlegt. Im Jahr 2022 war die Ansprache abgesagt worden.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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