Artistic Research

Lernen, über Musik zu reflektieren

Alles, außer graue Theorie: Im Future Art Lab der MDW finden zahlreiche Projekte Studierender statt.
Alles, außer graue Theorie: Im Future Art Lab der MDW finden zahlreiche Projekte Studierender statt.(c) Stephan Polzer
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Aus der eigenen Praxis heraus über die Kunst forschen – ein neuer Master an der Universität für darstellende Kunst in Wien macht das jetzt möglich.

Universitäten der bildenden Künste verschränken schon lang Kunst und Forschung, um es Studierenden in künstlerisch-wissenschaftlichen Masterprogrammen zu ermöglichen, aus der eigenen Praxis zu forschen. Jetzt versuchen die Musikhochschulen nachzuziehen. Wer sein künstlerisches Schaffen mittels akademischer Reflexion vertiefen und weiterentwickeln möchte, konnte bisher ein Doktorat in „Artistic Research“ an der Kunstuniversität Graz oder der Universität für darstellende Kunst Wien (MDW) absolvieren. Im Herbst 2023 startet nun an der MDW mit „Contemporary Arts Practice“ ein neues Masterprogramm. Die Zielgruppe: Musikschaffende, Performer und Musikvermittler. Sie spezialisieren sich in den Feldern elementares Musizieren, Improvisation, Musikvermittlung/Community Music und transmediale Performancekunst. „Sie lernen ihr künstlerisches Tun neben einer Vielzahl an künstlerischen und kollaborativen Projekten wissenschaftlich zu reflektieren“, erklärt Maria Gstättner, Senior Lecturer an der MDW und Mitverantwortliche des neuen Masterprogramms.

„Kunst als Forschung“

Interessierte bewerben sich mit einer konkreten Projektidee für den Master, setzen diese im Laufe des Studiums um und bearbeiten sie in einer wissenschaftlichen Arbeit. Gstättner liefert ein Beispiel: „Wer etwa das Diplomstudium für Klarinette absolviert hat, sich für Texte von Gioconda Belli interessiert und dafür gern Musik entwickeln möchte, ist bei uns gut aufgehoben.“ Auch neue partizipative Formate im Kontext Musikvermittlung lassen sich im Zuge des künstlerisch-wissenschaftlichen Masters umsetzen. „Uns ist es wichtig, niemanden auszuschließen. Jemand mit abgeschlossenem Bachelor oder Diplomstudium aus Instrumental, Gesang, Tanz- oder Schauspielbereichen ist ebenso willkommen, wie jemand aus Kunst/Kultur und Musikwissenschaften, die oder der künstlerisch etwas kann und ein spannendes Projekt umsetzen möchte.“ Ganz im Sinne von Kunst als Forschung, oder eben „Artistic Research“, sollen sich die Studierenden während der Umsetzung des Projekts mit sich und dem künstlerischen Feld auseinandersetzen. Für Gstättner birgt diese aus der Praxis kommende wissenschaftliche Herangehensweise große Vorteile: „Beide Bereiche befruchten und bereichern einander – innovative kreative Prozesse finden statt und es kommt zu fortschrittlicher und richtungsweisender Entwicklung und Erschließung der Künste.“

Blick zu den Nachbarn

In der Schweiz denken bereits viele Musikhochschulen in diese Richtung. An der Hochschule Luzern-Musik kann man seit einem Semester ein PhD-Programm in „Artistic Research“ absolvieren, ab Herbst 2023 wird das Studienprogramm auch als Master angeboten. Neben dem künstlerischen Hauptfach in Komposition, Instrumental/Vokal (in den Profilen Jazz oder Klassik) oder Dirigieren absolvieren die Masterstudierenden einen wissenschaftlichen Themenblock und arbeiten an einer Abschlussarbeit, die Forschung und Praxis verbindet. „Artistic Research ist als junge Disziplin in der Musik noch wenig verankert, weil das musikalische Handwerk stets im Vordergrund stand“, sagt Daniella Gerszt, Studienkoordinatorin für Musiktheorie, Komposition und Music Research. Es sei wichtig, dass Kunstausübende in die Forschung gehen, um „neue Räume in der Musikpraxis und Vermittlung zu erschließen“.
An der Basler Fachhochschule Nordwestschweiz startet im Herbst mit „Music and Research“ ebenfalls ein neues Masterstudium. Kern des Studiums ist auch hier ein künstlerisch-wissenschaftliches Forschungsprojekt, das die Studierenden aus ihrer eigenen Praxis heraus entwickeln – betreut werden sie von zwei Mentoren der Basler Hochschule für Musik (HSM).

Für Musiker, Komponisten, Kulturmanager oder Pädagogen, die in Richtung Musikvermittlung forschen möchten, finden sich Masterprogramme – etwa an der Universität Detmold in Deutschland –, die Kunst und Praxis vereinen und wo partizipative Formate entwickelt sowie umgesetzt werden.

Allerdings ist es der besondere Mix aus Musikvermittlung, elementarem Musizieren, Improvisation und Performance, der das Masterstudium „Contemporary Arts Practice“ der MDW im deutschsprachigen Raum bislang einzigartig macht.

("Die Presse", 25.2.2023)

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