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Auch heuer nicht als Old Surehand verkleidet

Resümee für Aschermittwoch: Die beste, unverfänglichste Verkleidung ist das eigene Ich.

Wie fast jede Aschermittwochskolumne wurde auch diese am Faschingsdienstag geschrieben, enthält also womöglich Karnevalsreste. Spuren von Fleisch. Von Puder, von Schminke. Oder Staubzucker vom letzten verbliebenen Wiener Faschingsbrauch, dem unwirschen Ablehnen von Gratis-Faschingskrapfen im Kaffeehaus, verbunden mit der frechen Frage an den Oberkellner: Warum ist er nicht verkleidet?

Ist er eh, sagt er, als James Bond. Aber das ist er jeden Tag. Das darf er auch, damit kränkt er niemanden, damit eignet er sich schlimmstenfalls das Kulturerbe des Vereinigten Königreichs an, als falscher Agent Seiner Majestät. Und ob diese authentische (Nicht-)Verkleidung aus der Zeit gefallen ist, muss man sich auch nicht fragen, wenn man der nun 90-jährigen Yoko Ono vertraut, die konstruktivistisch sagt: „Zeit ist ein von Menschen erschaffenes Konzept.“

Schön jedenfalls, dass der Fasching vorbei ist. Und mit ihm auch die ironische Frage: Als was darf man sich denn noch verkleiden heutzutage? Als Winnetous Erben, als Ölprinz, Schut, Old Surehand, Professor Vitzliputzli, als Wurzelsepp gar, das geht doch alles nicht mehr?
Ein weiterer Titel eines Karl-May-Buchs, „Ich“ (Band 34 der gesammelten Werke) bietet eine gangbare Alternative und ist auch noch in der Fastenzeit fortsetzbar: Wer sich als sich selbst verkleidet, eignet sich nichts an, kränkt niemanden, spielt jemanden, den er zu spielen gewohnt ist, gehorcht dazu einem Dauertrend, den meine so traditionelle wie formlose solipsistische Aschermittwochsprozession durch die Wiener City gleich zweifach bestätigt hat. „Ich-Stärkung auf 650 Quadratmetern“ verheißt die Auslage eines Instituts namens Anima Mentis in der Auersperggasse, „Sei Maximum Du auch in stressigen Phasen“ ruft ein Plakat der Apotheke auf den Tuchlauben. Es wirbt für ein Mittel für Haut, Haare und Nägel, für die Oberfläche des Ichs also, das in diesem Spruch mit Du angesprochen wird. Asche darauf!

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