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Jess Franco: Nackte Superhexen und filmische Fieberträume

Filmarchiv Austria
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Ein Schmuddelfilmer? Vielleicht. Doch das Werk des Spaniers Jess Franco fasziniert. Von Donnerstag bis Sonntag im Wiener Metro-Kino.

„A Girl and a Gun“: Mehr braucht es laut Jean-Luc-Godard nicht, um einen Film zu drehen. Das Werk seines Zeitgenossen Jess Franco beweist, dass selbst die Waffe optional ist. Mehr als eine Villa am Mittelmeer und leicht bekleidete Damen benötigte der Spanier selten für seine Arbeit. Auch kein Budget, das die Handkasse zeitgenössischer Kinoproduktionen überstieg. Ein Drehbuch mag zwar formell vorhanden gewesen sein. Es diente aber oft höchstens als vage Anleitung.

Francos Karriere begann in den späten 1950er-Jahren in seinem Heimatland. Spätestens ab Ende der 1960er und bis zu seinem Tod 2013 war er ein genuin transeuropäischer Regisseur, überall zur Stelle, wo gerade Produktionsgelder abzugreifen waren. Für einen Film – oder besser gleich für zehn. Die genaue Zahl seiner Regiearbeiten (die ihr Publikum meist in wenig glamourösen Kinos in Bahnhofsnähe fanden) lässt sich wohl gar nicht mehr eruieren. Irgendwo zwischen 200 und 250 dürfte sie liegen.

Der Versuch, eine solche Karriere in Werkphasen einzuteilen, ist zum Scheitern verurteilt. Eher sollte man vielleicht, wie bei Weinen, von Jahrgängen sprechen. So hat der 1981er-Franco einen guten Ruf – und ist mit „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“ und „Die Säge des Todes“ gleich zweimal vertreten im elf Filme umfassenden „Tribute to Jess Franco“, das das Filmarchiv Austria ab heute, Donnerstag, bis Sonntag zeigt.

Braucht eine Jess-Franco-Schau heute eine Triggerwarnung? Vielleicht schon, aber nicht so, wie man denkt. Zweifellos sind seine Filme auch Zeugnisse einer anderen Zeit, eines unbekümmerteren Umgangs mit Gewalt und Sex. Aber obwohl Franco mit Vorliebe in besonders despektierlichen Genres wie „Nunsploitation“ (Nonnen: nackt) oder „Women in Prison“ (Frauen im Gefängnis: auch nackt) unterwegs war, liefern seine Filme nie ganz das ab, was die reißerischen Titel und freizügigen Poster versprechen oder androhen. Natürlich, die nackten Nonnen und nackten Gefängnisinsassinnen haben durchaus ihren Platz in Francos Werk. Sie sind aber eben nur Ausgangspunkt für die filmischen Fieberträume eines Regisseurs, dessen Kino dem Eros in all seinen Facetten dermaßen hemmungslos verfallen ist, dass ein Schlagwort wie „male gaze“ allemal zu kurz greift. So dreht sich etwa ein ganzer Werkzyklus Francos um die Vagina seiner Muse und Partnerin Lina Romay...

Orson Welles schätzte ihn

Nein, wenn eine Triggerwarnung, dann müsste sie lauten: Vorsicht, kann Kunst enthalten! Die abstrusen Geschichten, die Francos Filme erzählen – und auch die Grobheit ihrer Oberfläche – sind bloß Vorwand. Kaum jemand dachte Kino so sehr von der Kamera her. Nicht um „Exploitation“, also um Ausbeutung von Schlüsselreizen, geht es bei ihm, sondern um groteske Stimmungsbilder, um ein manchmal jähes, schockartiges, öfter langsames, tagtraumhaftes Hinübergleiten in den nackten Wahnsinn. Um ein Sich-Versenken in Lichtreflexen. Und auch in Frauenkörpern, die für den „Franco gaze“ eben keine bloßen Objekte sind, sondern Tore in eine andere Welt.
Nicht umsonst sind unter Francos Bewunderern auch Meisterregisseure wie Fritz Lang und Orson Welles. Letzterer machte ihn sogar zu seinem Regieassistenten bei der Shakespeare-Adaption „Falstaff“. Dass die Filme des Gossenkino-Magiers Franco solch hochkulturelle Nobilitierung gar nicht nötig haben: davon kann man sich nun im Wiener Metro-Kino selbst überzeugen.

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