Der ökonomische Blick

Österreichs Staatshilfen ufern aus: Zeit für Treffsicherheit muss sein

Die Presse/Clemens Fabry
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Warum ausufernde Staatshilfen für Unternehmen dem Wirtschaftsstandort schaden.

Chaos auf den Finanzmärkten, Pandemie, Teuerung. Seit vielen Jahren schon befindet sich die Weltwirtschaft im Krisenmodus. Um Arbeitsplätze und die Leistungsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zu erhalten, stellen Regierungen weltweit Unternehmen immer umfangreichere finanzielle Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung. Diese Maßnahmen sind teuer und großteils schuldenfinanziert. Sie gehen auf Kosten alternativer Verwendungen, etwa im Bildungs- oder Sozialbereich, verzerren den Wettbewerb und schränken den finanziellen Spielraum nachfolgender Generationen ein. Unternehmenshilfen haben also unerwünschte Nebenwirkungen.

Um diese zu minimieren ist ein treffsicherer Einsatz staatlicher Mittel geboten: jene, und nur jene, Unternehmen sollten staatliche Zuschüsse erhalten, die diese für den Erhalt ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit benötigen.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Ab sofort liefert auch die seit 2019 in Wien ansässige CEU ("Central European University") Beiträge zum Blog. 

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Dennoch zählt Treffsicherheit oft nicht zu den obersten politischen Prioritäten beim Design staatlicher Wirtschaftshilfen. Zum Beispiel bei den Coronahilfen in Österreich, die im internationalen Vergleich sehr großzügig ausgefallen sind. Während hierzulande für Kurzarbeit, Fixkostenzuschüsse, Umsatzersatz und ähnliche Instrumente bisher knapp sieben Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts ausgegeben wurden, beliefen sich die Corona-Unternehmenshilfen in Deutschland nur auf etwa 3,5% der jährlichen Wirtschaftsleistung. Dies liegt auch an der geringeren Treffsicherheit heimischer Hilfen. Beim Umsatzersatz Ende 2020 wurde beispielsweise im Gegensatz zu Deutschland auf eine Gegenrechnung von Kurzarbeitsgeld verzichtet.

Eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank (Elsinger et al., 2022) legt den Schluss nahe, dass heimische Unternehmen deutlich höhere Zuschüsse erhalten haben, als sie zum Erhalt ihrer Leistungsfähigkeit benötigt hätten. Insbesondere dienten Staatshilfen vielerorts nicht der Deckung unternehmerischer Kosten, sondern erhöhten vielmehr die Bankguthaben der Unternehmen und deren Eigenkapital. Unter allen Unternehmen, die in der Studie der Nationalbank berücksichtigt werden, wuchsen die Bankdepositen eines durchschnittlichen Betriebs um 18% im Jahr 2020. Unter nur jenen Unternehmen, die Coronazuschüsse erhalten hatten, wuchsen sie hingegen mit 60% deutlich stärker. Offenbar benötigten viele Betriebe die Zuschüsse nicht für ihr wirtschaftliches Überleben, sondern konnten diese als Geldreserve ansparen.

Ein weiteres Indiz für die fehlende Treffsicherheit der Coronahilfen ergibt sich aus den Leistungs- und Strukturdaten der Statistik Austria. Im Schnitt über die beiden Pandemiejahre 2020 und 2021 lagen trotz Einschränkungen in einigen Branchen die Umsatzerlöse heimischer Unternehmen auf oder über dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019. Dennoch flossen mehrere Milliarden an staatlichen Zuschüssen in diese Branchen. Vor allem im Handel und im Baugewerbe kamen zahlreiche Unternehmen, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Pandemie niemals ernsthaft in Gefahr war, rechtmäßig in den Genuss von hohen staatlichen Zuschüssen.

Aus ökonomischer Sicht ebenso problematisch ist, dass aufgrund des Designs heimischer Coronahilfen konkurrierende Unternehmen innerhalb einer Branche höchst unterschiedlichen Zugang zu staatlichen Geldern hatten. Jene Konzerne, die für alle Standorte einzeln Hilfen beantragen konnten, erhielten oft ein Vielfaches an Zuschüssen verglichen mit jenen Konzernen, deren organisationsrechtliche Struktur dies nicht erlaubte. Ein in Deutschland, Italien und zahlreichen anderen europäischen Ländern tätiger Elektronikfachhandel-Konzern konnte so laut Beihilfentransparenzdatenbank der Europäischen Kommission in Österreich knapp 20 Millionen Euro an Zuschüsse beziehen, mehr als in allen anderen EU-Ländern zusammen.

Und das, obwohl seine aggregierten Konzernumsätze während der Pandemie deutlich wuchsen. Dieses Beispiel zeigt eine generelle Gefahr von nicht treffsicheren Unternehmenshilfen auf: durch die Ungleichbehandlung von Betrieben innerhalb einer Branche, aber auch über Branchengrenzen hinweg, verzerren sie den Wettbewerb, da sie manchen Marktteilnehmern einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen.

Auch wenn sie kurzfristig erforderlich sind: Die langfristigen Auswirkungen von umfangreichen Unternehmenshilfen sind enorm. Fehlende Treffsicherheit verursacht eine ungerechtfertigte Verteilung finanzieller Ressourcen, Wettbewerbsverzerrungen und eine exzessive Belastung der öffentlichen Haushalte. Dies alles kann dem Wirtschaftsstandort langfristig schaden. Auch wenn Wirtschaftshilfen in der Regel unter Zeitdruck entwickelt werden müssen: Zeit für Treffsicherheit muss (auch in Österreich) sein.

Der Autor

Paul Pichler ist assozierter Professor für Makroökonomie und Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit dem Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik, den ökonomischen Aspekten wachsender Staatsverschuldung und Klimaschutzpolitik.

Referenzen

Elsinger, H., Fessler, P., Kerbl, S., Schneider, A., Schürz, M., Wiesinger, S. und M. Wuggenig, „Where have all the insolvencies gone?“, Monetary Policy and the Economy Q3/22

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