Justiz

Freispruch für Sohn eines Hamas-Gründers: "Ich bin nicht James Bond“

In Eisenstadt stand der Sohn eines Gründers der radikalislamischen Terrororganisation Hamas vor Gericht. Mit Anschlägen oder Spionage will der 42-Jährige aber nichts zu tun haben. Die Richterin sah keine Erhebungsergebnisse, die einen Schuldspruch stützen würden.

Ausnahmezustand im Landesgericht Eisenstadt. Einen solchen Prozess gab es hier noch nie. Mittwochmorgen. Umringt von schwer bewaffneten Kräften der Justizwache und der Polizei wird Suheib Y. (42) in den größten Saal des Gebäudes geführt.

Der Sohn eines der sieben Gründer der palästinensischen Terrororganisation Hamas soll selbst Hamas-Mitglied gewesen sein. Das bestreitet er. Auch habe er niemals die Seiten gewechselt und für Israel spioniert. Aber: Beides hatte der staatenlose Mann selbst den Behörden erzählt.

Letztendlich sprach die vorsitzende Richterin den Angeklagten frei. Sie sah keine Erhebungsergebnisse, die den Schuldspruch stützen würden. Es gebe eine Reihe von teils widersprüchlichen Aussagen des Mannes, doch kein gesicherten Informationen von Behörden, begründete die Vorsitzende den - noch nicht rechtskräftigen - Freispruch. Aber der Reihe nach.

„Ich hasse die Hamas"

Seine eigene – frühere – Hamas-Vergangenheit hatte Y. in mehreren Facebook-Videos dargestellt, dazu aber verkündet, er habe dieser Organisation (der militärische Arm der Hamas kämpft gegen Israel, unzählige Terroranschläge gehen auf ihr Konto) den Rücken gekehrt. Auch in Interviews für TV-Sender der arabischen Welt hatte Y. seine Abkehr von der Organisation seines Vaters unterstrichen. Und erklärt, die Hamas sei korrupt.

In der Verhandlung ging er sogar noch einen Schritt weiter. „Ich hasse die Hamas“, rief er. Und überhaupt: „Ich bin Koch. Ich koche sehr gut. Was hat ein Koch mit Raketen zu tun? Ich habe in israelischen Restaurants gearbeitet. Meine Familie hat es abgelehnt, dass ich israelische Freunde habe.“

Aufgeregt gestikulierend und unter Mithilfe einer Dolmetscherin versuchte der Angeklagte, der ein weißes Hemd, Jeans und braune Sneakers trug, dem Schöffensenat klarzumachen, warum er überhaupt nach Österreich gekommen sei. Und das klang dann doch einigermaßen überraschend: „Ich wollte hier das schöne Leben.“ Und: „Ich möchte hier Asyl. Die Menschen haben einen guten Ruf und sind sehr großzügig.“

Y. saß zuletzt 16 Monate in U-Haft. Bevor er im Oktober 2021 in Österreich aufgegriffen und in ein Asylwerber-Quartier in Eisenstadt gebracht worden war, hatte er bereits in Ungarn, Deutschland und in den Niederlanden vergeblich um Asyl angesucht.

Von der Richterin damit konfrontiert, dass er seine Tätigkeit für die Hamas, nämlich das Sammeln von Angaben über mögliche Terrorziele und das Archivieren von nützlichen Informationen, von sich aus angegeben habe, meinte er aufgeregt: „Das waren alles Lügen, um Asylstatus zu erlangen.“ Und: „Das war ein Spiel.“ Eine Agententätigkeit für Israel habe es nie gegeben. „Ich bin nicht James Bond.“

„Geschichte meines Bruders“

Um dem Gericht nahezubringen, inwieweit derartige Angaben zu einem positiven Asylbescheid führen sollten, ergänzt Y.: „Ich habe die Geschichte meines Bruders erzählt.“ Denn dieser Bruder, der älteste Sohn der Familie, habe es mit ähnlichen Angaben geschafft, in den USA ein neues Leben zu beginnen.

Diese Geschichte ist in der Tat bemerkenswert. Besagter Bruder hat das Buch „Sohn der Hamas – Mein Leben als Terrorist“ geschrieben. Darin beleuchtet er das von Brutalität und Machtmissbrauch gekennzeichnete Innenleben der Organisation und seine Abkehr von dieser. Der im Westjordanland in der Nähe von Ramallah geborene Mann ist mittlerweile tatsächlich in die USA ausgewandert. Seine Geschichte wurde unter dem Titel „Der grüne Prinz“ verfilmt. Y.: „Ich wollte auch in die USA.“ Mittlerweile nehme er aber gern auch mit Österreich vorlieb. Wenngleich er dieses Ziel relativiert: „Es steht Ihnen zu, dass Sie mir keinen Asylstatus gewähren.“

Um zu erkunden, ob nun die ursprünglichen oder die neueren Angaben von Y. stimmen, gab es seitens der österreichischen Behörden Anfragen an Israel. Diese brachten aber keine Aufschlüsse. Die Staatsanwältin: „Seitens der Israelis ist da gar nichts gekommen.“

„Er hat auch in mich kein Vertrauen"

Der Pflichtverteidiger des Angeklagten, Florian Astl (Zitat: „Herr Y. hat kein Vertrauen in den österreichischen Staat mehr, er hat auch in mich kein Vertrauen mehr.“) wies indes daraufhin, dass Israel bisher keinerlei Auslieferungs-Forderungen an Österreich gestellt habe. Es habe auch keine Warnung der israelischen Geheimdienste gegeben, wonach Y. als gefährlich einzustufen wäre.

Der Prozess war zuletzt nur für einen Tag anberaumt. Im Falle einer Verurteilung hätten dem 42-Jährigen, der nicht einmal die ihm zugestellte Anklageschrift gelesen haben will („weil ich unschuldig bin“), bis zu zehn Jahre Gefängnis gedroht.

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