Gastbeitrag

Wir klagen die Welt, bis sie uns gefällt

Warum die Klima-Kinder, die nun den VfGH anrufen, mit ihrer Klage nicht für mehr Generationengerechtigkeit sorgen.

Die Autorin:

Elisabeth Zehetner ist Geschäftsführerin von Oecolution Austria. Die Plattform fördert die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Forschung, Zivilgesellschaft und Verwaltung, für eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial erfolgreiche Entwicklung.

Warum klagen wir nicht im Namen der Kinder deren Recht auf künftigen Wohlstand ein? Auf einen wettbewerbsfähigen Standort, der diesen Wohlstand sichert? Oder auf ein zukunftsfähiges Bildungs-, Gesundheits- und Pensionssystem? Diese Fragen muss sich stellen, wer sich mit der Klage von zwölf Kindern und Jugendlichen beschäftigt, die von Fridays for Future und dem Verein Claw unterstützt werden. Damit wollen die Aktivistinnen nach eigenen Angaben „Generationengerechtigkeit schützen“ und vor dem VfGH ein Recht auf aktiven Schutz der Kinder vor den Folgen der Klimakrise erwirken. Ein Klimaschutzgesetz ohne Reduktionsziele und Verbindlichkeiten verletze diese Verfassungsrechte, so die Argumentation.

Über das implizite Motto „Ich klage mir die Welt, wie bzw. bis sie mir gefällt“ und die Instrumentalisierung des Rechtsstaats für politische Zwecke mag man geteilter Meinung sein. Mit Generationengerechtigkeit hat diese Klage ebenso wenig zu tun wie die Aktivitäten der sogenannten Letzten Generation. In beiden Fällen schwingt immer mit, dass die Klimakrise Ergebnis eines Generationenkonflikts sei. Klimafeindliche, SUV-fahrende und gegenüber der jungen Generation ungerechte Ältere gegen klimabewusste, protestierende und daher generationengerechte Junge: Das ist die Erzählung des Konflikts.

• Die Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten sind jedenfalls keine Bewegung für mehr Generationengerechtigkeit. Denn sie ignorieren, dass die Zukunft mehr Dimensionen hat als die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels. Generationengerechtigkeit ist mehr – auch mit Blick auf die klimapolitischen Ziele:
Künftige Generationen sollen von einer möglichst intakten Umwelt ebenso profitieren wie von breitem Wohlstand und sozialer Sicherheit. Das braucht Wertschöpfung und wirtschaftliche Stärke. Wer sich nur auf das ökologische Ziel reduziert und die anderen Ziele vernachlässigt, handelt nicht generationengerecht. Eine ökologisch korrekte, verarmte Subsistenzwirtschaft ist wohl kaum die Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der die Generation Z und ihre Nachfolger ihre Ansprüche an Zukunft verwirklicht sehen.

• Energiewende und Klimaschutz erfordern in den nächsten Jahren massive Investitionen im mehrstelligen Milliardenbereich – jährlich. Schätzungen zufolge benötigt die Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent ein Investitionsvolumen von 360 Milliarden Euro pro Jahr. Das geht nur, wenn wirtschaftliche Leistungskraft und budgetäre Grundlagen gesichert sind. Ohne diese Investitionen gibt es keine generationengerechte Entwicklung.

• Eine dritte Dimension ist die Offenheit für Forschung und Technologien. Wir dürfen die Generationen von morgen nicht mit (Technologie-)Verboten davon abschneiden, in bestimmten Fachgebieten weiterzuforschen und klimafreundliche Innovationen zu entwickeln. Generationengerechtigkeit bedeutet, die Zukunft und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten für die Jungen offenzuhalten – und nicht einseitig zu limitieren.

Generationengerechtigkeit isteines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Anliegen für die Zukunft. Es ist kein Thema für einseitige Klagen, sondern braucht aktive politische Gestaltung. Und vor allem einen Zugang, der wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele gleichrangig verfolgt. Denn das eine ist ohne das andere nicht möglich. Eine gute Zukunft für unsere Kinder lässt sich nicht erklagen, sondern nur gemeinsam erarbeiten.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2023)

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