EU-Richtlinienentwurf

Greenwashing dürfte für Firmen bald teuer werden

Bei "grünen" Werbeversprechen müssen Unternehmen bald noch vorsichtiger sein.
Bei "grünen" Werbeversprechen müssen Unternehmen bald noch vorsichtiger sein.(c) IMAGO/Panthermedia (psychoshadow via imago-images.de)
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Versprechen zum Umwelt- und Klimaschutz kommen als Werbebotschaften gut an – derzeit sind sie aber meist schwer überprüfbar. Die EU-Kommission will verbindliche Kriterien dafür einführen.

Wien. Mit grünen Versprechen sind Firmen oft schnell zur Hand. Aber was sind solche Ankündigungen wert? Eine kürzlich veröffentlichte Auswertung von CDP und Oliver Wyman macht – wie schon berichtet – wenig Hoffnung: Die Studienautoren nahmen 1500 europäische Unternehmen unter die Lupe, rund 50 Prozent davon geben an, beim CO2-Ausstoß auf einem guten Weg im Sinn der Vorgaben fürs 1,5-Grad-Ziel zu sein. Tatsächlich zutreffen dürfte das nur auf fünf Prozent davon, ergab die Untersuchung.

Nun heißt das nicht, dass die restlichen 45 Prozent hier wissentlich schummeln. Aber auch leichtfertige Umweltversprechen, die sich als unhaltbar erweisen, laufen auf Greenwashing hinaus. Dagegen möchte die EU-Kommission künftig schärfer vorgehen: Am 22. März will sie einen Entwurf für eine EU-Richtlinie zu „Green Claims“ präsentieren. Die EU-Länder müssen demnach in absehbarer Zeit detaillierte Informationspflichten und Standards für die Belegbarkeit umweltbezogener Werbung schaffen. Eine Rohfassung des Entwurfs ist vorab publik geworden, sie liegt der „Presse“ vor. Und so viel steht fest: Unternehmen werden sich „grüne“ Werbe-Behauptungen – sogenannte Green Claims – künftig gut überlegen müssen.

Kontrollen und Bußgelder

„Greenwashing kann teuer werden“, sagt Martin Prohaska-Marchried, Leiter IP bei Taylor Wessing CEE, zur „Presse“. Der Richtlinienentwurf definiert die Anforderungen für die Nachweisbarkeit umweltbezogener Behauptungen teils strenger als die bisherige Judikatur. Es soll auch Kontrollen durch eine Behörde geben, die eigens dafür einzurichten sein wird – und empfindliche Geldbußen, um Verstöße „angemessen und effektiv“ zu sanktionieren. „Aus dem Kartell- und Datenschutzrecht kennen wir das. Im österreichischen UWG sind derartige Sanktionen aber Neuland und könnten erhebliche wirtschaftliche Risiken für Unternehmen bedeuten“, sagt Prohaska-Marchried.

Orientieren sollen sich die Geldbußen dabei an der „finanziellen Stärke“ der natürlichen oder juristischen Person, die verantwortlich ist. Es werde also wohl auch um persönliche Verantwortung gehen, sagt Anwältin Martina Stranzinger aus dem Team für Streitbeilegung bei Taylor Wessing. „Und wer mehr verdient, zahlt auch mehr.“ Nachsatz: Die Praxis werde zeigen, „wer sich dann überhaupt noch zutrauen wird, z. B. Milestones beim Klimaschutz zuzusagen und in weiterer Folge korrekt darüber zu berichten“.

Leicht möglich auch, dass dieses Thema künftig für D&O-Versicherungen relevant wird – wobei sich dann immer auch die Frage stellt, inwieweit das Risiko, mit einer Geldbuße belegt zu werden, überhaupt versicherbar ist.

Laut dem Entwurf muss Beschwerdeführern zudem der Rechtsweg offenstehen. Und das System solle auch selbstkontrollierend sein, sagt Stranzinger. Bei falschen oder irreführenden Werbeaussagen greift, wie auch bisher, die Haftung nach UWG – insofern kontrollieren das auch Mitbewerb und Verbraucherschützer.

Strenge Prüfkriterien

Aber welche Kriterien werden gelten? Wahr sein müssen Werbe-Behauptungen auch derzeit, das ist an sich nichts Neues. So entschied der Oberste Gerichtshof bereits 2015, dass Werbung für Fernwärme nicht pauschal suggerieren dürfe, dass sie nur eine geringe Feinstaubbelastung verursache, weil das bei Wärmegewinnung aus Biomasse nicht stimmt (4 Ob 129/15x). Und bei vergleichender Werbung darf man auch jetzt „nicht Äpfel mit Birnen vergleichen“. Aber es gibt viele Grenzfälle, wie sie etwa der VKI immer wieder aufzeigt: etwa, wenn Kugelschreiber als „zu 100 Prozent recycelbar“ bezeichnet werden, was theoretisch für die einzelnen Komponenten zutrifft, praktisch jedoch am Fehlen von Sammel- und Verwertungssystemen scheitert.

Der Richtlinienentwurf sieht nun ein Bewertungssystem vor, nach dem man vorab prüfen kann, ob man mit bestimmten Umwelt-Aussagen werben darf. Grundlage ist die sogenannte PEF-Methode, die Abkürzung steht für Product Environmental Footprint. Es gilt also, den ökologischen Fußabdruck des jeweiligen Produktes möglichst objektiv zu vermessen – oder auch jenen ganzer Organisationen (Organisation Environmental Footprint, OEF).

„Dabei gibt es eigene Kriterien für verschiedene Unternehmen bzw. Produkte, von Lebensmitteln bis zu Topfpflanzen“, erklärt Stranzinger. Und will man beispielsweise ein Produkt als klimaneutral positionieren, „ist immer der gesamte Produktlebenszyklus zu bewerten“.

Nur noch fundierte Umweltlabels

Auch ein „Life Cycle Assessment“ soll es geben – also eine Bewertung durch einen unabhängigen Prüfer nach einer Methodik, die wissenschaftlich fundiert sein muss. Der Kommission ist sichtlich auch der Wildwuchs an Umweltlabels ein Dorn im Auge. Auch dafür soll es künftig konkrete Voraussetzungen und ein Genehmigungsverfahren geben. Selbst entworfene „Unternehmenslabels“ sind dann Geschichte, und private Labels „müssen von einer unabhängigen dritten Stelle vergeben werden“, sagt Prohaska-Marchried.

Auch Nachteile offenlegen

Und ganz generell soll die Transparenz verbessert werden: „Verwendet man etwa ein Produktionsverfahren, das weniger CO2 verursacht, aber mehr Wasser verbraucht, ist beides offenzulegen, sonst darf man nicht damit werben“, erklärt Stranzinger. Dasselbe wird gelten, wenn sich ein Umweltproblem – über den Lebenszyklus betrachtet – nur in eine andere Phase verlagert. Kunden sind zudem auch über die umweltbezogenen Folgen der Nutzung des Produkts aufzuklären. „Diese Infos darf man allerdings auch über einen Weblink, QR-Code oder Ähnliches geben“, sagt Prohaska-Marchried. Das stelle sogar eine punktuelle Erleichterung gegenüber bisheriger Rechtsprechung dar, wonach solche nötigen Zusatzinformationen möglichst in die Werbung zu integrieren sind.

Überaus heikel wird zudem die schon erwähnte Werbung mit „Milestones“ beim Klimaschutz: „Wir werden klimaneutral bis 2030“ – für eine solche Behauptung soll ein Commitment von „ganz oben“ im Unternehmen nötig sein – samt entsprechender Verantwortung dafür. Jährliche Berichte werden dann ebenfalls erforderlich. Und auch verfehlte Etappenziele wird man offenlegen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2023)

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