Krieg in der Ukraine

Verschleppung ukrainischer Kinder? SOS-Kinderdorf weist Vorwürfe zurück

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Archivbild.APA/AFP/SERGEY BOBOK
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13 mutmaßlich ukrainische Kinder wurden in ein russisches SOS-Kinderdorf gebracht. Die Organisation sieht sich vor einem Dilemma, man wolle vor allem den Kindern helfen. Selbst wenn man die Eltern finden würde, es wäre „nicht so einfach“, die Kinder aus Russland heraus zu bringen.

SOS-Kinderdorf mit Sitz in Österreich weist Vorwürfe zurück, wonach die internationale Hilfsorganisation in die Verschleppung ukrainischer Kinder durch Russland verstrickt sei. Das berichtete das ZDF-Magazin "frontal" am Dienstag. "Wir haben mit den Verschleppungen nichts zu tun. Wir machen unseren Job und helfen Kindern in Not", sagte SOS-Kinderdorf-Sprecher Jakob Kramar-Schmid am Mittwoch.

In dem ZDF-Bericht ist zunächst ein gelber Bus zu sehen, der beim SOS-Kinderdorf Tomilino bei Moskau hält. Kinder mit Luftballons und großen Stofftieren steigen aus, die Sonne scheint, es ist offensichtlich warm. Die Bilder "verraten, wie russische Pflegeeltern mit ukrainischen Kindern zu einem roten Ziegelhaus gefahren werden". Dann sieht man den Besuch der russischen Kinderrechtsbeauftragten Maria Lvova-Belova im Dezember 2022 im SOS-Kinderdorf Tomilino; zu hören ist, dass dabei "Propagandabilder mit verschleppten ukrainischen Kindern" entstanden seien.

Was wusste man bei SOS-Kinderdorf?

Seit wann weiß SOS-Kinderdorf in Österreich über ukrainische Kinder im besagten russischen SOS-Kinderdorf Bescheid? Und welche Maßnahmen hat die Organisation seither ergriffen? Wurden ukrainische Kinder ihren Eltern zurückgebracht? Sprecher Kramar-Schmid sagte im Telefonat, dass erstmals im November 2022 russische Kolleginnen und Kollegen von 13 Kindern berichtet hätten, deren Herkunft unklar sei. Die russischen Behörden seien mit der Bitte um Betreuung der Kinder an das Kinderdorf herangetreten. "Wir stehen vor dem Dilemma, entweder nicht zu helfen oder Kindern in Not zu helfen, die sonst auf der Straße stehen würden", sagte Kramar-Schmid. "Die Kolleginnen und Kollegen in Russland machen einen wahnsinnig guten Job und stehen unter großem politischen Druck."

Es gebe "starke Anhaltspunkte" dafür, dass es sich bei den 13 Minderjährigen mit ungeklärter Herkunft um ukrainische Kinder handle. Selbst, wenn "wir davon ausgehen, dass wir die Eltern der Kinder in der Ukraine finden, ist es nicht so einfach, die Kinder aus Russland herauszubekommen", sagte Kramar-Schmid. Wo SOS-Kinderdorf bei der Suche stehe und ob die Organisation bereits Eltern gefunden habe, die Kinder aber nicht aus Russland bringen könne, sei derzeit nicht zu sagen: Antworten darauf gefährden laut Kramar-Schmid die betroffenen Kinder, die Familien in der Ukraine und die SOS-Kinderdorf-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in Russland. "Wenn die russischen Behörden SOS-Kinderdorf dicht machen, was passiert dann. Wir sind den Kindern verpflichtet."

Und Kramar-Schmid weiter: "Wäre es uns am liebsten, dass wir morgen mit diesen Kindern in die Ukraine fahren könnten? Auf jeden Fall. Aber die Umstände lassen es nicht zu."

„Natürlich nicht“ zur Adoption freigegeben

Üblicherweise sei es Teil der Arbeit von SOS-Kinderdorf, dass die Minderjährigen Kontakt zu ihren Eltern hielten. Nur bei einer Minderheit der zu Betreuenden handle es sich um Waisen; der Großteil lebe in "professionellen Pflegefamilien, einer Art WG", weil die Herkunftsfamilien zu arm seien. Diese Pflegefamilien seien im SOS-Kinderdorf untergebracht, die Betreuerinnen und Betreuer seien aber vom russischen Staat ausgesucht und angestellt. Diese Pflegefamilien würden wiederum von den SOS-Kinderdorf-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern betreut. Kinder, die in einem SOS-Kinderdorf lebten, würden "natürlich nicht" zur Adoption freigegeben.

Die Siedlung Tomilino gehört seit 1990 zu SOS Kinderdorf. Die Hilfsorganisation teilte gegenüber "frontal" schriftlich mit: "SOS-Kinderdorf Russland kann keine Auskunft darüber geben, wie die Kinder nach Russland kamen und wie sie die russische Staatsbürgerschaft erlangten." Und weiter: "SOS-Kinderdorf ist gegen den Einsatz von Kindern für politische Zwecke. Wir unterstützen das nicht und werden diesen Fall prüfen." Das Hauptziel von SOS-Kinderdorf Russland sei es, Kinder unabhängig von ihrer Herkunft zu schützen, auch unter extrem schwierigen Bedingungen. SOS-Kinderdorf Russland arbeitet nach eigenen Angaben seit mehr als 30 Jahren in dem Land und betreut dort derzeit mehr als 600 Kinder. Auch in der Ukraine ist SOS-Kinderdorf aktiv.

(APA)

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