Ukraine-Krieg

Klitschko: "Ohne Hilfe des Westens überleben wir nicht"

Vitali Klitschko befürchtet, ein Wahlkampf unter derzeitigen Bedingungen könne "tödlich" für die Ukraine sein.
Vitali Klitschko befürchtet, ein Wahlkampf unter derzeitigen Bedingungen könne "tödlich" für die Ukraine sein.APA/AFP/SERGEI SUPINSKY
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Kiews Bürgermeister will vorerst keine Debatte über die anstehende Präsidentschaftswahl. Er appelliert, die Hilfe nicht abreißen zu lassen. "Das ist nicht ein Krieg Russland und Ukraine, das ist ein Krieg um Werte."

Nach einem Jahr Krieg Russlands gegen die Ukraine sieht Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko das Überleben seines Landes von der Hilfe des Westens abhängig. "Ohne Unterstützung des Westens können wir nicht überleben", sagte Klitschko am Mittwoch im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur bei einem Treffen in seinem Büro. Vor der Präsidentenwahl in der Ukraine im kommenden Jahr ließ Klitschko weiter offen, ob er als Kandidat antreten wird.

"Das ist nicht ein Krieg Russland und Ukraine, das ist ein Krieg um Werte. Das ist ein Krieg Böse gegen Gut. Krieg Diktatur gegen Demokratie", betonte Klitschko. "Wir brauchen weitere Unterstützung", sagte er. Er kenne die Diskussion um immer neue Forderungen der Ukraine. "Ich verstehe, dass es eine große Belastung für die Wirtschaft jedes Landes ist. Aber jeder in Deutschland muss verstehen: Wir verteidigen nicht nur unser Land und unsere Leute, wir verteidigen auch die gleichen Werte." Dann fügte er hinzu: "Es ist ein Riesenfehler zu denken, der Krieg ist weit weg, das berührt mich nicht."

Hat Deutschland zu lange gezögert?

Er dankte aber ausdrücklich auch Deutschland für die geleistete Hilfe gegen den russischen Angriff und zur Überwindung der Kriegsfolgen. Auf die Frage, ob er die Kritik an einer langsamen Hilfe Deutschlands nachvollziehen kann, sagte der 51-Jährige, der Deutsch spricht: "Jein!" Teils sei die Kritik berechtigt gewesen, weil Entscheidungen "zu zögerlich" getroffen worden seien. "Es ist viel zu lange nachgedacht worden, ob Deutschland mehr helfen soll." Die Ukraine habe Waffen zu ihrer Verteidigung gefordert und fordere das weiter. "Für jede solche Entscheidung zahlen wir mit dem Leben unserer Patrioten." Die Ukraine habe die Welt überrascht mit ihrem Widerstand gegen die russische Armee.

Er sehe auch die Gefahr, dass russische Truppen erneut die Hauptstadt angreifen werden, meinte Klitschko. Zugleich rechnet er aber damit, dass sie scheitern werden. "Ich glaube nicht, dass Russland gewinnt." Im vergangenen Jahr waren die russischen Truppen bereits in den Vororten und an den Stadträndern von Kiew, zogen dann aber wieder ab. Es gebe heute eine breite Koalition, die der Ukraine bei der Verteidigung des Landes helfe. Niemand müsse mehr überzeugt werden, sagte Klitschko.

Präsidentenwahl steht 2024 an: Will Klitschko antreten?

Zur Präsidentenwahl in der Ukraine im kommenden Jahr merkte Klitschko an: "Wenn ein Land im Krieg ist, wenn ein großer Teil des Landes okkupiert ist, wenn zehn Millionen Menschen außer Landes sind, kann ein politischer Wettkampf jetzt im Moment in der Ukraine tödlich sein für das Land", sagte er. Es gehe jetzt darum, das Land zu verteidigen.

Es gehe heute um das Überleben der Ukraine und nicht darum, wer das Land regiert, sagte er. "Unsere Bürger zahlen einen riesigen Preis dafür." Notwendig sei vielmehr eine Einigung aller politischen Kräfte, aller politischen Parteien. "Wir stehen unter einer Fahne: blau-gelb, unsere ukrainische Fahne. Und leider verstehen das nicht alle - sogar hier in der Ukraine." Priorität habe die Verteidigung. "Das Land muss unabhängig und souverän sein. Das Land muss demokratisch werden."

Auf die Frage, warum es etwa keinen Schulterschluss mit Präsident Wolodymyr Selenskij gibt, sagte er: "Ich mache meine Arbeit. Ich bin bereit: Meine Schulter ist immer bereit für jeden Patrioten, für jeden Verteidiger." Klitschko und Selenskij gehören unterschiedlichen Parteien an. "Schulter an Schulter, das schaffen wir nicht. Das passt von der Größe her nicht - das ist ein Witz", sagte Klitschko mit einem Lachen. Zwischen dem über zwei Meter großen Klitschko und dem 1,70 großen Selenskij liegen gut 30 Zentimeter Unterschied.

Aber traut er sich dennoch zu, das Land zu führen? "Das ist eine provokative Frage, jetzt im Moment denke ich nicht darüber nach", sagte er - schiebt jedoch nach: "Aber wenn das Land mich braucht, dann habe ich keine andere Wahl."

(APA/dpa)

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