Pizzicato

Wenn Nudeln aus Ohren hängen

Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ So hat es der Philosoph Ludwig Wittgenstein in seinem „Tractatus logico-philosophicus“ apodiktisch formuliert – und dabei zu kurz gedacht.

Wenn die freie Rede unter Zensur steht, bleibt immer noch die Zeichensprache. Zu Wittgensteins Zeit hob die Stummfilmära an, in der die Keatons und Chaplins mit Mimik und Grimassen kompensierten, was die Technik ihnen verwehrte.

Im Totalitarismus machte man sich derlei Codes für die Kritik am System zunutze. Und so ist es kein Zufall, dass sie gerade in Russland eine Renaissance erleben. In einem Video, in dem Nudeln aus seinen Ohren hängen, trieb just ein kommunistischer Politiker aus Samara als nonverbalen Kommentar zu dessen Rede zur Lage der Nation seinen Jux mit Wladimir Putin. In Russland steht das als Chiffre für das Belogenwerden. Der Kriegsherr im Kreml sieht vor lauter Nazis längst nicht mehr den Faschisten in ihm selbst.

Eine Geste mit Nachahmungseffekt: Die Russen sollten die Teigwaren zweckentfremden und mit hängenden Nudeln vor dem Kreml demonstrieren, dass ihnen ihr Präsident beim Hals heraushängt. Und die Chinesen, die Nudel-Erfinder, sollten es ihnen gleichtun. Ein Rätsel bleibt indes, warum die Italiener dies nicht längst bei Berlusconi und Co. praktiziert haben. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2023)

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