Junge Forschung

Gemeinsamer Unterricht: Salam Aleikum und Grüß Gott!

„Oft merkt man gar nicht, wenn man jemanden diskriminiert“, sagt Eva Wenig, die an der Uni arbeitet und auch selbst Religion unterrichtet.
„Oft merkt man gar nicht, wenn man jemanden diskriminiert“, sagt Eva Wenig, die an der Uni arbeitet und auch selbst Religion unterrichtet.Helmut Lunghammer
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Die Religionspädagogin Eva Wenig hat für ihre Dissertation beobachtet, wie gemeinsamer Unterricht für katholische und islamische Schülerinnen und Schüler funktioniert.

Wen hätten Sie gebeten, den eben vor dem Hörsaal verschütteten Kaffee wegzuwischen? Die Frau mit dem Kopftuch oder den lässig daneben lehnenden jungen Mann? „Oft merkt man gar nicht, wenn man jemanden diskriminiert“, sagt Eva Wenig. Im von ihr mitgestalteten YouTube-Video ist die Migrantin Professorin und hält in der nächsten Szene eine Vorlesung. Selbst wer glaube, keine Vorurteile zu haben, tappe in so manche Falle und verletze jemanden unbewusst. Davon sei auch sie trotz ihrer Profession nicht frei, ergänzt die Religionspädagogin.

Mit Filmen wie diesem will die vielseitige Steirerin, die auch an der Grazer Modellschule unterrichtet, zum Nachdenken anregen – und für mehr Offenheit plädieren. Ihr eigentlicher Fokus liegt aber auf der Forschung. Im Dezember hat sie im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekts „Christlich-islamischer Religionsunterricht im Teamteaching“ ihre Dissertation abgeschlossen.

Ein Experiment für mehr Miteinander

„Uns interessierte, wie man den katholischen und den islamischen Religionsunterricht in den Dialog bringt“, schildert Wenig. Dazu beobachtete sie gemeinsam mit einem islamischen Religionspädagogen, wie sich der für kurze Zeit zusammengelegte Unterricht der beiden größten Religionsgemeinschaften Österreichs – Christentum und Islam – bewährt. Ein Experiment, das der Realität wohl besser gerecht wird als die derzeit geübte Praxis: „Die österreichische Gesellschaft wird, nicht zuletzt durch die Fluchtbewegungen der vergangenen Jahre, immer vielfältiger. Die Kinder besuchen den Unterricht gemeinsam, nur Religion wird extra unterrichtet“, schildert Wenig. Sind die Kinder miteinander, könne über kulturelle und religiöse Gemeinsamkeiten und Unterschiede gesprochen werden, um Konflikten entgegenzuwirken: Teamteaching soll helfen, die eigene Religion und Vorurteile gegenüber der anderen kritisch zu reflektieren – und die jeweils andere Religion aus erster Hand kennenzulernen. „Damit beide Religionen auf gleicher Augenhöhe vermittelt werden konnten, unterrichteten immer zwei Lehrpersonen“, berichtet Wenig. In Zusammenarbeit mit ihrem Kollegen beobachtete und filmte sie den Unterricht in Partnerschulen in Graz und Klagenfurt und führte Interviews mit Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern. Das Miteinander der Unterrichtenden zeigte sich schließlich als wichtiger Schlüssel für ein Miteinander der Religionen. „Die Lehrpersonen können sich wechselseitig ergänzen und Einblick in ihre religiöse Biografie geben. Es braucht das Gemeinsame.“

Lösungen sind jedenfalls notwendig. „Der Religionsunterricht stößt gerade an seine Grenzen“, sagt Wenig. Denn organisatorisch sei die Stundenplanung an Schulen, die derzeit unterschiedliche Konfessionen, aber auch Konfessionslose berücksichtigen muss, aktuell oft schwierig. „Man sucht nach neuen Formen, wie man den Religionsunterricht organisieren kann, bevor er ganz aus der Schule verbannt wird“, erläutert sie. Daher stieß ihre Forschung im Jänner auf einer Konferenz im deutschen Würzburg auf großes Interesse.

In ihrer Arbeit erlebte Wenig, wie viel Miteinander der Dialog schafft. Der enge Austausch mit einer islamischen Kollegin wurde für Wenig auch zum persönlichen Gewinn: „Sie ist eine sehr gute Freundin geworden. Es ist eine echte Bereicherung, in die Tradition der anderen einzutauchen.“ Sie habe etwa erst dadurch wirklich begriffen, was der Ramadan bedeutet: „Fasten ist viel mehr als nichts zu essen und nichts zu trinken. Es ist wie Weihnachten und Ostern – man verbringt viel Zeit mit Freunden und der Familie.“ Umgekehrt war die Kollegin zu Weihnachten bei ihr zu Gast.

Auch privat greift Wenig gern alle Bälle auf, die ihr zufliegen: Die Rettungsschwimmerin, die auch eine Ausbildung zum Fitnesslehrwart absolviert hat, spielt gern Volleyball und Tennis. Beim Yoga entspannt sie. Ihre Forschung will sie weiterführen, träumt aber auch von einem interreligiösen Zentrum an der Uni Graz. „Nur wenn man sich trifft, kann man Vorurteile abbauen und Extremismen etwas entgegenhalten“, sagt sie.

ZUR PERSON

Eva Wenig (31) studierte Lehramt Deutsch und katholische Religion und unterrichtet beide Fächer an der Grazer Modellschule. Die im Dezember abgeschlossene Dissertation am Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Uni Graz verfasste sie zu christlich-islamischem Teamteaching. Die österreichische Akademie der Wissenschaften förderte ihre Arbeit mit einem Doc-Stipendium.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2023)

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