Gastkommentar

Wie soll das RSO den ORF retten?

Fehleinschätzung. Das Radio-Symphonieorchester hat mehr Relevanz für den ORF und das Land Österreich, als ihnen bewusst ist.

Es ist wieder einmal so weit: Die Auslöschung des ORF-Orchesters soll das finanzielle Überleben des Mediengiganten gewährleisten. Wie bitte? Einem Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro stehen Aufwendungen für das RSO von weniger als zehn Millionen Euro gegenüber, nicht einmal ein Prozent aller Ausgaben des ORF. Jetzt sollen 300 Millionen eingespart werden. Neben der Einstellung des Kanals Sport+ wird dabei kurioserweise ausschließlich über das RSO diskutiert und geschrieben.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Hat sich da irgendjemand mit den Relationen beschäftigt? Was ist mit dem Rest, und wie soll die Opferung des RSO diese Lücke schließen und mehr sein als ein unnötiger Tropfen auf einen politisch extrem heißen Stein? Will man von den eigentlichen Sparmaßnahmen ablenken? Vielleicht bei gutem Wind ein manchen ORF-lern schlicht lästiges Instrument endlich loswerden?

Von 1988 bis 1991 durfte ich Woche für Woche jeden Freitagvormittag eine zweistündige Sendung über diesen damals „ORF-Symphonieorchester“ genannten Klangkörper gestalten und live moderieren. War gerade Probe im Sendesaal, kamen Dirigent oder Solisten in der Pause zum Live-Interview, es gab Zuschaltungen von Hörerinnen über Telefon und auch durchaus hitzige Wortgefechte ohne Zensur. Heute mutet das ganz selbstverständlich und harmlos an, damals war das alles revolutionär. Das war möglich, weil das Orchester des ORF seinen festen Platz im kulturellen Selbstverständnis nicht nur des ORF, sondern auch der Politik hatte und als wesentlicher Teil des Auftrags einer öffentlich-rechtlichen Institution verstanden wurde.

Hat das Land genug Orchester?

Auch damals gab es Stimmen, die dieses Orchester als entbehrlich und reine Kostenposition gesehen haben. Wobei vor gut dreißig Jahren der Budgetanteil noch bei immerhin zwei bis drei Prozent aller Aufwendungen lag. Weil im Gegensatz zu den im Verhältnis bescheidenen Kostensteigerungen beim RSO die sonstigen Kosten des ORF über die Jahrzehnte geradezu explodiert sind. Aber wann immer es um die Finanzierung des ORF ging, wurde regelmäßig das Orchester ins Spiel gebracht. Obwohl das RSO mehr als früher etwa auch in den TV-Kanälen präsent ist.

Die haben alle genug zu tun!

Neben dem Kostenargument wird auch regelmäßig darauf hingewiesen, dass es ja „eh schon a Menge Orchester in Wien gibt“. Stimmt. Aber die haben alle ausreichend zu tun! Versuchen Sie einmal, für einen Termin in zwei oder drei Jahren eines dieser Orchester für ein Konzert zu engagieren. Sind die Konzerte und Opernvorstellungen alle leer, weil sich niemand dafür interessiert? Trotz eines beim RSO höheren Anteils an zeitgenössischem, nicht unbedingt touristentauglichem Repertoire gab es bis 2019 und auch jetzt wieder keine Berichte über extreme Auslastungsprobleme. Abgesehen davon ist es so, dass das RSO natürlich keine Vollkosten verrechnen kann, weil sich das die Veranstalter nicht leisten könnten. Und nur deshalb kostet es ja auch Geld. Weil es dergestalt einem expliziten Kulturauftrag nachkommt, der sonst aus den Kulturbudgets von Bund, Ländern und Gemeinden gedeckt werden müsste.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass das Ruinieren einer etablierten Kulturinstitution wie des RSO nicht einmal ansatzweise helfen kann, die finanziellen Probleme des ORF zu lösen. Dessen Schließung würde aber nicht nur eine gewaltige Lücke im kulturellen Angebot hinterlassen und rund hundert hoch qualifizierte Arbeitsplätze vernichten, sondern auch klar dem öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag widersprechen.

Ob das alles den handelnden Personen bewusst ist?

Peter Schneyder (*1955) ist Unternehmer, war 15 Jahre beim ORF als Redakteur, Moderator und Produzent für Radio und TV. Schallplatten- und Multimedia-Produktion. Orchestermanager. Veranstalter (Konzerte, Oper, etc.).

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.