Ukraine-Krieg

EU-Staaten beschließen zehntes Sanktionspaket gegen Russland

Ursula von der Leyen
Ursula von der LeyenIMAGO/NurPhoto
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Die neuen Strafmaßnahmen sehen zusätzliche Handelsbeschränkungen vor - insbesondere für industrielle Güter, die die russische Industrie nicht über Drittstaaten wie China beziehen kann.

Die Europäische Union hat am Samstag ein neues Sanktionspaket gegen Russland mit Exportbeschränkungen im Wert von mehr als elf Milliarden Euro formell beschlossen. Von den neuen EU-Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind 121 Einzelpersonen und Institutionen betroffen, darunter auch iranische Drohnenhersteller. Auf der Sanktionsliste stehen nun 96 weitere Unternehmen und Behörden, darunter auch drei weitere russische Banken.

Das am Freitag vereinbarte zehnte EU-Sanktionspaket seit Februar vergangenen Jahres wurde am Samstag von den Mitgliedsländern bestätigt, wie die EU mitteilte. Um in Kraft zu treten, müssen die Sanktionen nun noch im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Betroffen sind erstmals auch sieben iranische Unternehmen, die Russland Kampfdrohnen für den Krieg in der Ukraine liefern. Das Exportverbot für sogenannte Dual-Use-Güter, die für zivile und militärische Zwecke genutzt werden können, nach Russland wird ausgeweitet. Neu auf der Liste stehen nun unter anderem Elektronik, Spezialfahrzeuge, Maschinenteile, Ersatzteile für Lastwagen und Triebwerke, Antennen, Kräne, Drohnen und Wärmebildkameras.

Auch die Liste der Menschen, die nicht mehr in die EU einreisen dürfen und deren Vermögen eingefroren wird, wird ergänzt. Wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitteilte, sind nun auch Einzelpersonen betroffen, die für die völkerrechtswidrige "Deportation und Zwangsadoption von mindestens 6.000 ukrainischen Kindern" verantwortlich sind.

Wochenlange Verhandlungen

Der Einigung auf das zehnte Sanktionspaket der EU waren wochenlange Verhandlungen vorausgegangen, an deren Ende zuletzt nur noch Polen das Sanktionspaket blockierte. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte das Paket noch am Freitag als "zu leicht und zu schwach" bezeichnet - am Abend gab es dann aber doch eine Einigung. Mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt tritt das neue Sanktionspaket dann in Kraft.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Samstag von den "weitreichendsten Sanktionen aller Zeiten, die Russlands Kriegsarsenal dezimieren und tief in seine Wirtschaft eingreifen". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte mit: "Wir werden den Druck auf Russland weiter erhöhen - und zwar so lange wie nötig, bis die Ukraine von der brutalen russischen Aggression befreit ist."

Exportverbote für Industrie-Güter

Konkret sind unter anderem weitere Exportverbote für industrielle Güter vorgesehen, die die russische Industrie nicht über Drittstaaten wie China beziehen kann. Dazu zählen Maschinenteile, Antennen, Kräne, Spezialfahrzeuge sowie Ersatzteile für Lkw und Triebwerke. Zudem soll es Exportrestriktionen für elektronische Bauteile geben, die für russische Waffensysteme sowie Drohnen, Raketen und Hubschrauber verwendet werden könnten. Auch bestimmte seltene Erden und Wärmebildkameras fallen unter die neuen Regeln. Nach Angaben der EU-Kommission hat die EU nun Exporte im Wert von insgesamt fast 44 Milliarden Euro beschränkt. Das entspricht fast der Hälfte aller Ausfuhren nach Russland im Jahr vor dem Krieg.

Hinzu kommen neue Importbeschränkungen im Wert von fast 1,3 Milliarden Euro etwa für synthetischen Kautschuk und Bitumen. Insgesamt sind nach Angaben der EU-Kommission nun Einfuhren im Wert von mehr als 90 Milliarden Euro von den Einfuhrbeschränkungen betroffen - rund 58 Prozent der Importe von 2021. Auch gegen Russlands Versorgung mit militärisch nutzbaren zivilen Gütern wie Drohnen soll weiter vorgegangen werden. So werden nach Angaben der EU-Kommission unter anderem sieben Unternehmen aus dem Iran sanktioniert, die an der Belieferung Russlands mit Drohnen vom Typ Shahed beteiligt sein sollen und Teile aus der EU nutzen.

"Damit wollen wir andere Unternehmen und internationale Händler abschrecken", erklärte von der Leyen bereits Mitte Februar. Wie bereits bei früheren Sanktionspaketen wird darüber hinaus die Liste derjenigen Personen ergänzt, die nicht mehr in die EU einreisen dürfen und deren etwaige Vermögen in der EU eingefroren werden müssen. Betroffen sollen Propagandisten, militärische Befehlshaber und politische Führungskräfte sein.

Nach Angaben Borrells sind weitere 121 Personen und Organisationen betroffen. Darunter seien diejenigen, die "für die Deportation und Zwangsadoption von mindestens 6.000 ukrainischen Kindern verantwortlich" seien. Zudem sind der Kommission zufolge russische Entscheidungsträger, hochrangige Regierungsbeamte und Militärs sowie Propagandisten betroffen.

Drohnenhersteller im Iran sanktioniert

Auch würden Personen im Iran sanktioniert, die an der Herstellung von Drohnen sowie von Teilen zur Unterstützung des russischen Militärs beteiligt seien. Um gegen russische Propaganda vorzugehen, sollen außerdem die beiden Sender RT Arabic und Sputnik Arabic verboten werden. Zudem verhängt die EU Sanktionen gegen drei weitere Finanzinstitute.

Mit Blick auf die mögliche Verwendung für den Wiederaufbau der Ukraine müssen künftig außerdem alle eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank sowie andere eingefrorene russische Vermögen in der EU gemeldet werden. Russen dürfen künftig zudem nicht mehr in Führungsgremien von Unternehmen in der EU sitzen, die für kritische Infrastruktur wie die Energieversorgung verantwortlich sind.

Die neuen Handelsbeschränkungen werden nach früheren Angaben der EU-Kommissionspräsidentin insbesondere für industrielle Güter gelten, die die russische Industrie nicht über Drittstaaten wie China beziehen kann. Dazu zählen Maschinenteile, Antennen, Kräne, Spezialfahrzeuge sowie Ersatzteile für Lkw und Triebwerke. Zudem soll es Exportrestriktionen für rund 50 neue elektronische Bauteile geben, die für russische Waffensysteme sowie Drohnen, Raketen und Hubschrauber verwendet werden können. Auch bestimmte seltene Erden und Wärmebildkameras fallen unter die neuen Regeln.

Um zu verhindern, dass Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern militärisch nutzbare zivile Güter wie Drohnen an Russland liefern, wird die Anwendung des bestehenden Sanktionsregimes ausgeweitet. So sollen Firmen künftig fürchten müssen, den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu verlieren.

Vor der Entscheidung der EU-Länder hatten am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine bereits die USA und Großbritannien weitere Sanktionen gegen Moskau verkündet. Auch die G7-Staaten berieten auf einem Video-Gipfel über die Strafmaßnahmen. Dabei hätten die Staats- und Regierungschefs dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij "versichert, dass wir die Ukraine unterstützen werden, solange das nötig ist", sagte Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

(APA/dpa)

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