Medikamentenmangel

Zwei Tage reisen für ein paar Tabletten

Kinder sind vom aktuellen Engpass besonders betroffen, sagt die Wiener Allgemeinmedizinerin Naghme Kamaleyan-Schmied.
Kinder sind vom aktuellen Engpass besonders betroffen, sagt die Wiener Allgemeinmedizinerin Naghme Kamaleyan-Schmied. Die Presse/Clemens Fabry
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Ein Apotheker fliegt auf eigene Faust nach Spanien, um einer Patientin Medizin zu besorgen, die sie sonst nicht mehr bekommt. Und ohne die sich ihr Körper vergiftet. Wenn der Engpass lebensbedrohlich – oder für Kinder sehr schwierig wird.

Der Tag X kam. Zunächst bekam sie Durchfall, konnte sich nicht konzentrieren. Erbrechen, Schwindel. Ihre Kräfte schwanden. Dann kollabierte die Tochter von Birgit Holzmüller. Diese brachte die 19-Jährige ins Krankenhaus, dort bekam sie Infusionen, wurde stabilisiert, soweit es ging, aber dann war das Ende der Fahnenstange erreicht. Was die Tochter von Holzmüller wirklich brauchte, waren jene Medikamente, die die Vergiftung von innen aufhielten. Nur waren die Tabletten nicht verfügbar, schon Tage und Wochen zuvor nicht. Familie Holzmüller rationierte die Tabletten für die Tochter, während sie sich fieberhaft auf die Suche machte – damit der Tag X gar nicht erst kommen sollte. Doch auf den Medikamentenmarkt ist seit geraumer Zeit kein Verlass mehr.

Beide Töchter der Familie aus Amstetten, 19 und 17 Jahre alt, leiden an Morbus Wilson; ihre Körper speichern ungesund viel Kupfer ein, nur durch die regelmäßige Einnahme von Tabletten kann eine Vergiftung, die oft zum Tod führt, verhindert werden. Ihre ältere Tochter, erzählt Holzmüller, habe bereits einen Leberschaden. Die Jüngere könne ohne die Tabletten ein paar Tage mehr durchhalten: „Die ersten zehn Tage hat sie gemerkt, dass es nicht so ist, wie es sein soll. Es war nicht tragisch. Bis ihr Immunsystem begonnen hat, Schwierigkeiten zu bereiten.“

Drei Länder. Der akute Medikamentenmangel bringt viele kranke Menschen in ernsthafte Schwierigkeiten, für einige Betroffene jedoch ist die Situation lebensbedrohlich. Bereits vor eineinhalb Jahren, so erzählt es Birgit Holzmüller, sei jenes Medikament, das ihre Töchter zehn Jahre lang genommen haben, ohne Vorwarnung abgesetzt worden. Das Ersatzmedikament kam aus Deutschland, „das mussten wir erst bewilligen lassen, damit es unsere Apotheke bestellen konnte“. Vergangenen September waren dann auch diese Tabletten nicht lieferbar, stattdessen wurde die Familie an einen Hersteller in Frankreich verwiesen. So ging eine Zeit lang der Lieferweg über Frankreich und Deutschland nach Österreich, bis plötzlich auch diese Alternative stoppte. Birgit Holzmüller bekam nichts mehr.

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