Der Europarat und zuletzt das EU-Parlament zeigten sich anfällig für Bestechungen aus Autokratien: zu viele „bösartige Akteure“.
Die Feinde der Demokratie werden vor nichts zurückschrecken“, warnte die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, im Dezember, nachdem ein hochnotpeinlicher Bestechungsskandal im eigenen Haus publik geworden war. Die maltesische Christdemokratin bezeichnete die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen als „bösartige Akteure, die mit autokratischen Drittländern in Verbindung stehen und Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Abgeordnete und Assistenten des Europäischen Parlaments sowie Einzelpersonen als Waffe gegen unser Parlament, unsere Demokratie und unsere Art der offenen, freien, demokratischen Gesellschaft einsetzen“.
Die Malteserin wollte sich da wohl als oberste Korruptionsbekämpferin des EU-Parlaments präsentieren. Freilich, mit der Annahme von Geschenken, die sie erst spät meldete, sowie angenommenen Einladungen in Luxushotels hat Metsola mittlerweile selbst mit erheblichen Transparenzproblemen zu kämpfen.
Die Untersuchungshaft der abgesetzten früheren Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili aus Griechenland, des belgischen EU-Abgeordneten Marc Tarabella und des Drahtziehers des Korruptionsskandals, des italienischen Ex-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri, wurde Mitte Februar ein weiteres Mal verlängert. Gegen sie ermittelt die belgische Staatsanwaltschaft wegen Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Sie sollen von den Regierungen Katars und Marokkos bestochen worden sein, um Beschlüsse des EU-Parlaments zu beeinflussen. Dabei sind die drei möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs.
Mit verschärften Meldepflichten für Treffen mit Diplomaten und Interessenvertretern aus Nicht-EU-Ländern, einem Verbot bestimmter „Freundschaftsgruppen“ für Kontakte zu Drittstaaten und einer verbesserten Zusammenarbeit mit nationalen Behörden sollen weitere derartige Skandale künftig verhindert werden. Zudem soll ein unabhängiges Ethikgremium für die EU-Institutionen eingerichtet werden, das auf eigene Initiative im Verdachtsfall Ermittlungen einleiten kann.
Aber der Schaden ist längst angerichtet. Einer, der das EU-Parlament sofort nach Bekanntwerden des Skandals mit Häme überzog, war Ungarns Premier Viktor Orbán, dessen Regierung seit Langem unter Korruptionsverdacht steht. Ausgerechnet Orbán! Im neuesten Korruptionsindex von Transparency International nimmt Ungarn zusammen mit Burkina Faso Platz 77 ein – und ist damit in der internationalen Korruptionswahrnehmung das korrupteste Land unter den EU-27. Nicht nur die EU hat wegen mangelhafter Korruptionsbekämpfung 7,5 Milliarden Euro an Strukturhilfen für Ungarn eingefroren. Jüngst hat auch die OECD das Land wegen fehlender Maßnahmen zur Eindämmung von Bestechung, Bestechlichkeit und Nepotismus an den Pranger gestellt.
Österreich rangiert im Index von Transparency auf Platz 22 zwar weit besser als der Nachbar Ungarn, ist peinlicherweise aber aus den Top 20 gerutscht, weil, wie es von Seiten von Transparency International festgehalten wird, die Verantwortlichen bisher Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung gar nicht oder nur sehr zögerlich in Angriff genommen hätten. Der Verfahrensrichter im ÖVP-Untersuchungsausschuss, Wolfgang Pöschl, fasste seine Erkenntnisse zusammen: „Es ist sicherlich Korruption vorhanden.“