Ausstellung

Wiens tragische Bauhaus-Heldin

Entwerferin, Malerin, Kunsttherapie-Pionierin, Aktivistin: Friedl Dicker zeichnend, Collage von 1930.
Entwerferin, Malerin, Kunsttherapie-Pionierin, Aktivistin: Friedl Dicker zeichnend, Collage von 1930. Privatbesitz
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Das Wien Museum stellt Wiens einziges Bauhaus-Architekturbüro zwischen Sozialutopie und Exzentrik vor: Es wurde von Friedl Dicker und Franz Singer gegründet.

Es ist das vorläufige Finale der wundersamen Wiederentdeckung von Friedl Dicker, die sich in den vorigen zwölf Monaten in Österreich abspielte: Die Vorstellung des einzigen Bauhaus-Architekturbüros, das Wien vor der NS-Zeit hatte, betrieben von Friedl Dicker-Brandeis (1898–1944) und Franz Singer (1896–1954). Die Ausstellung im Ausweichquartier des Wien Museums (Musa) ist die letzte von dreien – nach der großen Dicker-Retrospektive im Lentos. Nach der intensiven Archiv-Befragung der Angewandten im Heiligenkreuzerhof.

Warum diese Ballung? Dickers Biografie ist eine tragische Zeitgeschichte sondergleichen, dass sie noch nicht verfilmt ist, macht wahrlich Staunen. 1917 lernt sie in der privaten Kunstschule von Künstler-Guru Johannes Itten Singer kennen und lieben, beide stammen aus jüdischen Familien. Sie folgen Itten nach Weimar ans Bauhaus, wo dieser lehrt. 1923 gründen Dicker und Singer dann eine eigene „Werkstätte bildender Kunst“ in Berlin, kehren aber bald nach Wien zurück, wo sie mit ihren Möbeln und Wohnkonzepten im Bauhaus-Geist zu Recht weniger Konkurrenz vermuten. 160, 170 Projekte planten sie, einiges wurde verwirklicht, nichts besteht heute noch. Ihr Montessori-Kindergarten für den Goethehof 1931 war der internationale Durchbruch – er gilt als erster „moderner“ Kindergarten.


Da hatte Dicker schon begonnen, sich politisch zu radikalisieren, sie war Kommunistin, floh nach Prag, heiratete ihren Cousin (Brandeis). Vor den Nazis flohen sie aufs Land, Dicker wollte ihren Mann nicht verlassen, sie versäumte Möglichkeiten zu emigrieren. 1942 folgte sie ihm nach Theresienstadt, 1944 nach Auschwitz, wo sie ermordet wurde; er überlebte. Diese letzten Jahre sind es, für die Dicker weltberühmt wurde: In Theresienstadt begann sie, Kindern Zeichenstunden zu geben, verfasste auch ein pädagogisches Konzept dafür. Die Zeichnungen konnte sie in einem Koffer retten, heute sind sie zutiefst emotionalisierende Herzstücke in jüdischen Museen in Polen. Seit man sie, lang nach dem Krieg, Dickers Unterricht zuordnen kann, gilt sie als Begründerin der Kunsttherapie für Kinder.

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