Randerscheinung

Bildungspflichten und Brotsuppe

Carolina Frank
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Brotstudium klingt wie Brotsuppe, jedenfalls aber sehr anstrengend.

Der Mittlere kommt also da neulich mit einer überraschenden Ankündigung nach Hause: „Ich werde ab Herbst ein Jahr mit dem Studium pausieren.“ Er wolle arbeiten, Musik machen (er ist ja auch Rapper) und VWL inskribieren. „Ich kenne mich bei Wirtschaft null aus, das ist peinlich, finde ich.“ Dazu muss man wissen, dass der Mittlere Medizin studiert und im Sommer mit 22 Jahren bei der Hälfte angekommen sein wird. Bis jetzt hat er sämtliche Bildungspflichten geräuschlos und beängstigend gut absolviert.

Es gibt also keinen Grund, als Eltern an diesem Plan etwas aus­zusetzen. Eigentlich. Denn natürlich wäre es mir lieber, wenn ich ehrlich bin (und hier unter uns geht das ja), ­er würde zuerst sein Studium fertig machen und sich dann eine Auszeit nehmen. Gleichzeitig weiß ich, dass er recht hat. Wenn er sich etwas anderes anschauen will, ist jetzt der ideale Zeitpunkt dazu. Nach dem Studium zu pausieren, ist wahrscheinlich noch schwieriger. Und steckt man erst einmal im Erwerbsleben drinnen, gibt es kein Entrinnen. Ich kann davon ein Lied singen.

Ich habe mir oft vorgenommen, einmal auszusetzen, bis zur Pandemie ist es mir nie gelungen, den Redaktionsalltag zumindest für ein paar Monate gegen etwas anderes einzutauschen. Ich wäre gern der Vater, der dem aus vollem Herzen zustimmt. Gerade weil mein Vater, mit dem ich mich nie so richtig verstanden habe, immer auf einem „Brotstudium“ bestanden hat. Brotstudium klingt wie Brotsuppe, jedenfalls aber sehr anstrengend. Zum Glück habe ich dann einen Beruf gefunden, der mich nie angestrengt hat, auch wenn ich mich oft bemühen musste. Ich werde dem Mittleren also sagen, dass ich seinen Plan unterstützte. Was ich tatsächlich tue. Und ihn diese Kolumne lesen lassen, damit er sich auskennt.

("Die Presse Schaufenster" vom 24.02.23)

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