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Elf Punkte zur Normalisierung der Beziehungen von Serbien und Kosovo

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Die EU veröffentlicht den Kompromiss-Vorschlag. Die Streitigkeiten sollen ausschließlich auf friedlichem Wege gelöst werden. Serbien werde sich der Mitgliedschaft des Kosovo in internationalen Organisationen nicht widersetzen.

Serbien und der Kosovo haben am Montag in Brüssel nach langjährigen EU-vermittelten Normalisierungsgesprächen einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht, indem sie dem im Herbst ausgearbeiteten französisch-deutschen Vorschlag zur Normalisierung ihrer Beziehungen zustimmten. Der als westliche Initiative bekannte Vorschlag wird von allen EU-Staaten und den USA unterstützt.

Nach der Zustimmung des Präsidenten Serbiens Aleksandar Vučić und des Premiers des Kosovo Albin Kurti wurde sein Wortlaut vom Europäischen Auswärtigen Dienst nun auch veröffentlicht.

Elf-Punkte-Dokument für „Normale, gutnachbarliche Beziehungen"

Im Elf-Punkte-Dokument verpflichten sich die beiden Seiten laut Belgrader Medienberichten zur Förderung der "normalen, gutnachbarlichen Beziehungen" sowie zur wechselseitigen Anerkennung offizieller Dokumente und nationaler Symbole, Reisepässe, Kfz-Kennzeichen und Zollstempel.

Beide Seiten wollen sich von den in der UNO-Charta festgelegten Zielen und Prinzipien leiten lassen, namentlich jenen über die souveräne Gleichberechtigung aller Staaten, Achtung ihrer Unabhängigkeit, Autonomie und Gebietseinheit, hieß es ferner.

Die wechselseitigen Streitigkeiten sollen ausschließlich auf friedlichem Wege gelöst werden. Auch würde sich Serbien der Mitgliedschaft des Kosovo in internationalen Organisationen nicht widersetzen, heißt es im Normalisierungsvorschlag. In Serbien ist derzeit vor allem eine eventuelle UNO-Mitgliedschaft des Kosovo umstritten.

Normalisiserungsdialog zwischen Prishtina und Belgrad

Der am Montag akzeptierte Vorschlag sieht weiters eine Intensivierung des Normalisierungsdialoges vor, was zu einem rechtlich verpflichtenden Abkommen zur umfassenden Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Prishtina führen soll. Prishtina und Belgrad werden laut dem Vorschlag Ständige Missionen in Serbien und dem Kosovo errichten.

Auch der Schutz der serbischen Minderheit im Kosovo bzw. die 2013 vereinbarte Bildung der Gemeinschaft der serbischen Gemeinden im Kosovo wird indirekt erwähnt. "Beide Seiten verpflichten sich, besondere Vereinbarungen und Garantien im Einklang mit einschlägigen Instrumenten des Europarates und unter Stützung auf die bestehenden europäischen Erfahrungen zu errichten, um ein entsprechendes Niveau der Selbstverwaltung für die serbische Volksgruppe im Kosovo zu sicherzustellen", heißt es.

Serbien bleibt zurückhaltender

Während Kurti laut Medienberichten in Prishtina bereits die Erwartung bekundete, dass ein verpflichtendes Abkommen zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen bis zum Jahresende erzielt werden könnte, hat sich Vučić dazu bisher nicht geäußert.

Man habe in Brüssel die Zukunft Serbiens in Frieden und die Fortsetzung neuer Investitionen errungen, wurde Vučić von Belgrader Medien am Dienstagfrüh zitiert. Auch habe er sein Präsidentengelöbnis und die Verfassung Serbiens und des Kosovos und Metochiens (Anm. serbische Bezeichnung für die einstige Provinz) gewahrt, meinte er. In der serbischen Verfassung wird der Kosovo allerdings nur in der rechtlich unverbindlichen Präambel erwähnt.

Lob von SPÖ und ÖVP

Der SPÖ-EU-Delegationsleiter und Kosovo-Berichterstatter der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im EU-Parlament, Andreas Schieder, zeigte sich über die Einigung erfreut: "Der erste Schritt ist getan, aber der Weg ist noch lang", betonte er am Dienstag in einer Aussendung. Die Anstrengungen der EU-Kommission für ein Abkommen zur Normalisierung der Situation zwischen den beiden Ländern könne die Grundlage für eine historische Aussöhnung sein. Aber die Spannungen der vergangenen Monate drohten alle Fortschritte der letzten Jahre zu gefährden. "Es ist deshalb ein wichtiges Signal, dass sich die beiden Staatsspitzen gestern im Rahmen des EU-Dialogs zum Normalisierungsabkommen bekannt und zugesichert haben, keine einseitigen Schritte zu setzen, um die Ziele des Abkommens zu gefährden."

Auch Lukas Mandl, Kosovo-Beauftragter der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament und Außenpolitik- und Sicherheitssprecher der ÖVP betonte, dass "nach 15 Jahren der Unabhängigkeit des Kosovo und nach einem Jahr, in dem Serbiens Probleme mit Freiheit und Frieden weltweit deutlich sichtbar waren", es "an der Zeit für ein Abkommen" sei, "um den Weg zu ebnen für Versöhnung, Anerkennung und eine Zukunft in Frieden und Wohlstand". Aber: "Es ist noch ein weiter Weg zu gehen."

Konflikt eskalierte 1999, dann übernahm die UNO

Der Kosovo, der heute fast ausschließlich von Albanern bewohnt wird, gehörte früher zu Serbien. Nach einem bewaffneten Aufstand der Kosovo-Albaner und massiven Menschenrechtsverletzungen durch die serbischen Sicherheitskräfte hatte die Nato im Frühjahr 1999 mit Bombardierungen im damaligen Rest-Jugoslawien (Serbien und Montenegro) reagiert.

Von 1999 bis 2008 verwaltete die UNO-Administration Unmik das Gebiet. 2008 erklärte sich das Land für unabhängig. Serbien erkennt diesen Schritt bis heute nicht an und reklamiert das Territorium für sich. Diplomatische Bemühungen des Westens führten in den vergangenen Jahren zu keiner wesentlichen Normalisierung der Lage. Zuletzt waren die Spannungen erneut eskaliert: Es gab Straßenblockaden und Zwischenfälle, bei denen geschossen wurde. Deutschland und Frankreich hatten im Herbst einen neuen Plan zur Vermittlung vorgelegt, den die EU später übernahm. Der westliche Vorschlag soll dazu führen, dass sich die beiden Staaten de facto anerkennen.

(APA)

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