Zugunglück

Zugunglück in Griechenland: Verkehrsminister tritt zurück

Am Unglücksort: in Griechenland stießen ein Güterzug und ein Personenzug  zusammen.
Am Unglücksort: in Griechenland stießen ein Güterzug und ein Personenzug zusammen.(c) Reuters
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Die griechische Eisenbahn sei in einem Zustand, der nicht ins 21. Jahrhundert passe, sagt Kostas Karamanlis. Bei dem Unglück sterben mindestens 36 Menschen, Dutzende werden verletzt.

Nach dem schweren Zugsunglück mit mindestens 36 Toten in der Nacht zum Mittwoch ist der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis zurückgetreten. Die aktuelle Regierung habe die griechische Eisenbahn vor dreieinhalb Jahren in einem Zustand übernommen, der nicht ins 21. Jahrhundert passe, teilte Karamanlis am Nachmittag mit. Man habe seither alles getan, um diesen Zustand zu verbessern.

"Leider reichten diese Bemühungen nicht aus, um einen solchen Unfall zu verhindern. Das ist sehr schwer für uns alle und für mich persönlich." Wenn so etwas Tragisches passiere, sei es nicht möglich, so weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Er halte es für unabdingbar, dass die Bürger dem politischen System vertrauen könnten. "Aus diesem Grund trete ich vom Amt des Ministers für Infrastruktur und Verkehr zurück." Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des griechischen Staates zu übernehmen, sagte Karamanlis und drückte den Familien der Opfer nochmals sein Mitleid aus.

Griechenlands Eisenbahnsystem ist veraltet

Das Eisenbahnsystem in Griechenland ist veraltet und muss modernisiert werden. Viele Strecken sind eingleisig. Häufig fehlen automatische Steuerungssysteme. Trotz der Modernisierung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der gesamten rund 500 Kilometer langen Strecke Athen-Thessaloniki gebe es erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrskontrolle, hieß es im Staatsfernsehen. "Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht", sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer im staatlichen Rundfunk. Warum dies geschieht und kein modernes Leitsystem funktioniert, konnte er nicht sagen.

Auch Stunden nach dem Unfall suchten Rettungskräfte am Mittwoch in den Trümmern der Züge weiter nach Opfern. Immer wieder rückten Sanitäter mit Bahren an, doch Hoffnung gab es kaum noch. Aus den zerquetschten, zum Teil verbrannten und verkohlten Resten der Züge werden nur noch Leichen geborgen.

Identifikation vieler Opfer nur per DNA-Analyse möglich

Offiziell lag die Zahl der Toten nach dem Frontalzusammenstoß zweier Züge am Mittwochmittag bei 36, doch sie dürfte steigen. Weil die ersten Waggons der Züge ausbrannten, ist die Identifikation vieler Opfer nur durch eine DNA-Analyse möglich, berichtete der Staatssender ERT. 72 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt und in umliegende Krankenhäuser gebracht. Insgesamt sollen 354 Menschen von dem Unfall betroffen gewesen sein: 342 Passagiere und zehn Bahnmitarbeiter im Personenzug von Athen nach Thessaloniki sowie zwei Lokführer im Güterzug.

Sichtlich getroffen versprach Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Mittag an der Unfallstelle die vollständige Aufklärung der Ursache des Unglücks. Es sei eine "unaussprechliche Tragödie", sagte er. Zunächst sei nun die Hauptaufgabe, die Verwundeten zu behandeln und die Leichen zu identifizieren. Man werde alles tun, damit so etwas nie wieder passiere.

Unfallstelle gleicht einem Trümmerfeld

Für Griechenland, das nur ein kleines Schienennetz hat, ist es das schwerste Eisenbahnunglück der Geschichte. Die Unfallstelle nahe der mittelgriechischen Stadt Larisa gleicht einem Trümmerfeld, die vorderen Waggons beider Züge wurden durch den Aufprall geradezu zusammengefaltet, wie Drohnenaufnahmen zeigten.

Bei Tageslicht offenbarte sich das volle Ausmaß der Katastrophe.
Bei Tageslicht offenbarte sich das volle Ausmaß der Katastrophe.(c) Imago

Erste Berichte über die mögliche Ursache deuten darauf hin, dass technische Probleme und in der Folge menschliches Versagen eine Rolle gespielt haben könnten. So soll das elektronische Leitsystem auf der Strecke schon länger nicht richtig funktioniert haben, weshalb die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich waren. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben den für die Signalgebung zuständigen Bahnhofswärter vorübergehend fest und verhörte mindestens drei Personen, darunter einen Vertreter des Bahnunternehmens.

Der Personenzug könnte dieser Theorie zufolge schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein, auf der ihm dann später der Güterzug entgegenkam. Mangels Leitsystem war zunächst auch der genaue Unfallort nicht auszumachen, berichtete der Sender ERT - die Rettungskräfte hätten die Stelle erst suchen müssen.

„Ich dachte, ich würde sterben“

Die Rettungsaktion läuft.
Die Rettungsaktion läuft.(c) AFP

Am Bahnhof der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki versammelten sich unterdessen schon nachts verzweifelte Angehörige, Telefon-Hotlines wurden eingerichtet. Bei vielen der Passagiere soll es sich um junge Menschen gehandelt haben, Studierende, die nach einem verlängerten Wochenende wegen eines Feiertags nun auf dem Weg zur Universität von Thessaloniki waren.

"Ich dachte, ich würde sterben", sagte ein Passagier der Tageszeitung "Kathimerini". Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinteren Waggons. Er habe am Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint. Andere Passagiere berichteten, sie hätten die Fenster eingedrückt und sich im Dunkeln aus dem halb umgekippten Waggon retten können.

(APA/dpa)

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