MWC

Dreiste Kopien am Mobile World Congress

Normalerweise verwandelt der MWC Barcelona ins Technik-Mekka, mit einem Reigen an Neuheiten und Innovationen. Heuer aber wirkt die Messe schaumgebremst. Ein paar kleine Lichtblicke konnte „Die Presse“ aber doch entdecken.

Der Mobile World Congress (MWC) verwandelt die katalanische Hauptstadt Barcelona einmal mehr ins Technik-Mekka. Mehr als 80.000 Besucher aus der Mobilfunkindustrie werden erwartet. War Barcelona einst ein Fixtermin, gespickt mit innovativen Neuheiten, neuen Produkten, die mit großem Show-Effekt ins Rampenlicht gerückt wurden, ist die Messe offenbar von der Kür zur Pflicht geworden. Samsung hat sein neuestes Flaggschiff-Modell bereits Wochen vor dem MWC präsentiert, Lenovo/Motorola ebenfalls. Lediglich Xiaomi hat den MWC genutzt, um seine neuesten Geräte zu präsentieren. Und Huawei hat aufgrund der anhaltenden US-Sanktionen im Consumer-Bereich keine Neuheiten. 

Traditionell wetteiferten am Sonntag, einen Tag vor der offiziellen Eröffnung, die Hersteller um die Gunst der angereisten Journalisten. Verteilt über Barcelona wurde in aufwändig inszenierten Shows das Innovations-Portfolio abgespult und handelte es sich auch nur um eine neue Smartwatch-Generation. Doch das ist vorbei. Damit erregt heute keiner mehr Aufmerksamkeit. Ähnlich verhalten eröffnete auch die Messe. Die Auftaktkeynote zeigte deutlich, dass die Branche sich um jeden Preis neu erfinden will. Auch wenn die Gelder für die Investitionen dafür auf kreative Weise gefunden werden wollen. Stichwort: Netflix-Steuer.

Das Metaverse, die Mischung der realen mit der digitalen Welt, soll die Branche wieder in Aufbruchsstimmung bringen. So recht will die Begeisterung des Veranstalters, der GSMA, nicht gelingen. Wohl auch, weil noch niemand so recht weiß, wohin die Reise wirklich gehen soll. Ähnlich verhält es sich bei 6G, das heuer auf der Messe immer wieder zu hören ist - ob es tatsächlich ein völlig neuer Standard wird, oder ein Aufbau zu 5G, bleibt unklar. Aktuell wird an drei Standards (Asien, USA und Europa) gearbeitet. Ob es erstmals gelingt, dass ein einziger weltweiter Standard sich durchsetzt, ist offen. Doch es bleibt noch Zeit, denn bis 6G spruchreif ist, vergehen noch Jahre. Konkret wird hier von Nokia über Ericsson und Huawei 2030 als Zeitpunkt genannt. Aktuell sei es wichtiger, das Vertrauen in 5G in der Bevölkerung zu stärken, heißt es dazu auch von Huawei.

In den Hallen wird pflichtbewusst alles gezeigt, was das Portfolio hergibt. Glücklicherweise wird heuer darauf verzichtet, mit knapp bekleideten weiblichen Hostessen mit Engelsflügen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch die für Endkunden interessanten Geräte müssen gesucht und gefunden werden.

Oppo auf Samsungs Spuren

(C) Die Presse/Barbara Steinbrenner
(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Die beiden Smartphone-Hersteller Oppo und OnePlus gehören beide zum chinesischen Konzern BBK-Electronics. Trotz der anhaltenden Lizenz-Streitigkeiten mit Nokia über die Nutzung von 5G-Rechten, sind beide am MWC und kündigen baldige Verkaufsstarts an. Oppo, aber auch OnePlus müssen nicht erst noch die Lizenz-Frage klären, sondern auch, ob die dreisten Formfaktor-Kopien langfristig zum Erfolg führen.

Das Oppo „Find 2 Flip“ nutzt den vertikalen Raum für das Außendisplay und hat im Gegensatz zum Samsung-Modell auch keinen sichtbaren Spalt im zusammengefalteten Zustand. Aktuell ist das Gerät für 1250 Euro in Österreich verfügbar.

Interessanter ist da hingegen der Formfaktor beim Oppo Find N2: Es ist nicht so in die Länge gezogen wie das Galaxy Z Fold 4 oder das Modell von Honor (siehe weiter unten). Es hat die ungefähre Höhe eines Reisepasses (132,2 Millimeter) und liegt damit auch gut in der Hand und ist angenehm leicht und bringt 233 Gramm auf die Waage. Zum Vergleich: das Galaxy Z Fold 4 wiegt 263 Gramm. Der Unterschied mag nicht nach viel klingen, ist aber spürbar. Das Display im ausgefalteten Zustand bietet eine Displaydiagonale von 7,1 Zoll. Das Außendisplay bietet 5,54 Zoll mit einer Auflösung von 1080 x 2120 Pixel und einem Bildschirmverhältnis von 18:9. Oppo ruft für das Falthandy einen Preis von knapp 1100 Euro aus.

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner
(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Bei der einstigen Huawei-Tochter Honor gibt es nun auch für den europäischen Markt ein Falthandy. Das Magic Vs hat auch hier eklatante Ähnlichkeiten zum Mitbewerber Samsung. Der chinesische Hersteller hat sich aber im Gegensatz zu Oppo nicht auch auf das Flip fokussiert, sondern Anleihen beim Galaxy Fold genommen.

Wer Innovationen sucht, muss zu Lenovo bzw. Motorola

Es gibt aktuell zwei Formformate, in denen sich die Hersteller versuchen. Das lässt nur zwei Theorien zu: Entweder hat Samsung sich mit dem Flip und Fold bereits völlig kreativ verausgabt und den anderen Unternehmen bleibt aufgrund Fertigungsanforderungen keine Möglichkeiten, als den selben Weg zu gehen. Oder man versucht es gar nicht.

Wenigstens Lenovo zeigt, dass durchaus auch neue Ansätze versucht werden können und diese nicht zwingend nur bei Smartphones möglich sind. Das 16,3 Zoll große Display erfüllt alle Wünsche, nur nicht jenen der Leichtigkeit. Mit insgesamt 2,3 Kilogramm braucht es einen starken Rücken, um damit mobil zu arbeiten. Dafür erspart es eine Vielzahl an Accessoires, dank seiner Flexibilität. Entweder man arbeitet kompakt (zum Beispiel im Zug) und klappt es nur halb auf. Auf dem unteren Teil des Displays kann entweder mit einer On-Screen-Tastatur gearbeitet werden, oder man nutzt die Hardware-Version, die dann einfach draufgelegt wird. Damit das Display nicht Schaden nimmt, ist diese mit einer Filzoberfläche überzogen. Leidiges Rutschen wird durch einen Magneten verhindert. Auch wenn es sich falsch anfühlt, auf ein Display etwas zu legen, klappt es überraschend gut.

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner
(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner
(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Wer mehr Platz zur Verfügung hat, kann das Display in seine volle Pracht entfalten und die vollen 16,3 Zoll nutzen und die Tastatur einfach davor legen. Damit der Monitor dann aber auch einen guten Halt hat, kann der Rahmen zu einem Ständer umfunktioniert werden.

Bis das Gerät tatsächlich auf den Markt kommt, werden noch einige Wochen vergehen. Wie ein Lenovo-Mitarbeiter auf Nachfrage der „Presse“ erklärt, geht man von Ende Mai, beziehungsweise Anfang Juni aus. Der Preis bleibt vorerst ungenannt.

Rollable - Unter der Haube

Falten kann jetzt schon nahezu jeder, das dürfte sich auch Motorola gedacht haben. In welche Richtung es gehen könnte, zeigen Lenovo und Motorola gemeinsam. Als „Proof of Concept“ wurden ein Smartphone und ein Laptop ausgestellt, die sich auf Knopfdruck von alleine entfalten.

(c) Die Presse/Barbara Steinbrenner

Motorola hat schon einmal den Versuch gestartet, seine Razr-Serie aus den 90ern wiederzubeleben. Das hat weniger gut geklappt. Anstatt sich weiter auf die Entwicklung von Falthandys zu konzentrieren, ging der chinesische Hersteller einfach einen neuen Weg.

Wie das künftig funktionieren soll, ist hier im Video zu sehen:

Anfassen durfte die beiden Geräte niemand. Sie wurden gehütet und nur einmal pro Stunde für wenige Minuten von ihrer Glashaube befreit, um sie aus der Ferne zu bewundern. „Proof of Concept“ bedeutet nämlich auch, dass eine Marktreife noch weit entfernt ist.

Disclaimer

Fest steht: Diese Konzepte sind unterhaltsam zu sehen, ob sich diese auch in brauchbare Produkte umwandeln lassen, die leistbar sind, bleibt offen. Antworten darauf gibt es wohl erst in ein paar Jahren. Ähnliches gilt für das wassergekühlte Handy von Oppo. Wobei die Wasserkühlung auf der Rückseite, vorerst nur Design-Element bleibt und kaum eine wichtige Funktion hat. Denn aktuell sind Geräte so konzipiert, dass sie auch unter Hochlast nicht unter Hitze zusammenbrechen. Doch Oppo will vorbereitet sein und hat dabei vor allem Gamer im Sinn: So soll das Active CryoFlux Kühlsystem bereitstehen, wenn die Geräte so leistungsstark sind, dass die Ladegeschwindigkeiten in Gefahr sein könnten.Die Reise zum Mobile World Congress in Barcelona findet auf eine Einladung von Huawei statt. Die Berichterstattung findet in redaktioneller Unabhängigkeit statt.

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