China-Marke

BYD Atto 3: Überraschend (oder auch: erschreckend) gut

Stilistisch astrein in der Rolle des elektrischen Kompakt-SUVs: BYD Atto 3.
Stilistisch astrein in der Rolle des elektrischen Kompakt-SUVs: BYD Atto 3. Clemens Fabry
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BYDs gelungene Österreich-Premiere mit dem elektrischen Kompakt-SUV Atto 3.

Wie schön wäre es, unser Verhältnis zum Herkunftsland dieses Autos würde sich nicht auf den Austausch von Gütern beschränken, sondern ließe auch etwas zu, was nicht auf Sorge und Furcht vor zunehmend unverhohlen artikulierter Feindseligkeit hinausliefe.
Dann könnte man sich vorbehaltlos über diesen Beitrag aus China freuen, denn der BYD Atto 3 ist dazu angetan, unsere automobilen Hausmächte ernsthaft zu fordern – eine Premiere, auf die Antworten zu finden sind. Es ist ja nicht so, dass europäische Elektroautos Exportschlager wären – die Chinesen etwa kaufen ihre eigenen oder die von Tesla. Dass VW nun eiligst und vor der Zeit seinen Leider-nicht-Bestseller ID.3 (im Jänner in Deutschland nicht einmal unter den Top 50) aufwertet, reflektiert die brisante Lage.

Kammermusik

Der Innenraum überrascht mit vielen verspielten und originellen Details.
Der Innenraum überrascht mit vielen verspielten und originellen Details.Clemens Fabry
Schlägt die richtigen Töne an: Thema Musik im Innenraum des Atto 3.
Schlägt die richtigen Töne an: Thema Musik im Innenraum des Atto 3. Clemens Fabry

Was gefällt uns am Atto 3? Zunächst, noch vor der Pflicht, die Kür: Wie witzig speziell der Innenraum gestaltet ist! Das spricht für eine Leichtigkeit, die man bei den Chinesen bislang nicht gesehen hat. BYD, größter E-Auto-Hersteller der Welt, will sie sich leisten. Das Styling des Atto folgt einem musikalischen Thema: In den Türen sind über Lautsprecher und Ablagefächer drei Schnüre gespannt, die man wie Saiten anschlagen kann – unser Fotograf meinte, die Grundakkorde von „Smoke on the Water“ herauszuhören. Spielerei, gewiss, aber es gibt auch Handfestes: Der als Schubregler ausgeführte Wählhebel der Fahrstufen ist ein solides Element, das haptisch Freude zu bedienen macht, ebenso die Türöffner, die sich um den Hochtöner schmiegen. Kontrastieren wir an der Stelle, was VW im ID.3 für seine Insassen vorsieht: unbeleuchtete Touch-Regler für Temperatur und Lautstärke, vorn keine Hebel für die hinteren Fensterheber – eingespart, wird auch im Update nicht behoben. Dafür wird das 10-Zoll-Display (bei Linkslenkern jedenfalls) auf 12 Zoll vergrößert. Im Atto freilich ist schon die kleine Variante größer als dies, in „Design“-Ausführung, wie getestet, prangt zentral gar ein 15,6-Zoll-Trumm, das sich per Knopfdruck auf Hoch- oder Querformat drehen lässt. Zu bemängeln ist hingegen die schlechte Ablesbarkeit bei Sonneneinstrahlung.
Darauf läuft ein Android-Bordsystem, das dem Benutzer die Einstellung von praktisch jeder Funktion an Bord ohne Rätsel und langes Suchen gestattet – mit dem schlauen Google-Navi als Highlight, das auf Wunsch wirklich alle Lademöglichkeiten in der Umgebung oder auf dem Weg anzeigt, etwas, woran ein Test-Mercedes unlängst gescheitert ist. Und ja, auch TikTok ist vorinstalliert – wird das chinesischen Fabrikaten wie dem Atto bald die Zufahrt in Behördenfuhrparks verstellen?

Feiner Staub

Der Atto 3 mit 440 Liter Kofferraum die Heckklappe ist elektrisch zu betätigen.
Der Atto 3 mit 440 Liter Kofferraum die Heckklappe ist elektrisch zu betätigen. Clemens Fabry

Die Liste der Ausstattung führen wir aus Platzgründen nicht an; es bleibt kein Extra übrig, das man bestellen könnte. Sie umfasst alles, was man in der Kompaktklasse aufbieten kann, bis hin zu Wärmepumpe und Feinstaub-„Reinigungssystem“ samt Anzeige der Partikelbelastung (PM 2.5) außen und im Innenraum. Apropos – zu beanstanden: die schwache Heizleistung beim Testexemplar.
Aber wo steht der Atto größenmäßig und in seiner Eigenschaft als Elektroauto? In der Länge zwischen ID.3 und 4, näher am Größeren bei fünf Zentimetern weniger Radstand. Die 420 kg schwere Batterie fasst 60 kWh, die laut WLTP für 420 km reichen. Im Stadtbetrieb (Verbrauch 16 kWh/100 km) zeigte sich der Wert auch bei winterlichen Außentemperaturen gut zu erreichen. Der Stromverbrauch mit erhöhtem Autobahnanteil lag letztlich bei knapp 20 kWh/100 km, daraus errechnen wir 300 Kilometer als unter allen Bedingungen realistische Untergrenze. Bescheiden ist die maximale Ladeleistung von 88 Kilowatt, die schnelles Laden für den Einsatz auf der Langstrecke nicht zulässt.
Dass der Atto die exakt gleichen Daten für Leistung und Drehmoment (siehe Datenkasten) aufweist wie das ID.-Standardmodell, ist wohl kein Zufall. Gesetzt ist, dass die ID.-Baureihe dank Heckantrieb spaßiger zu fahren ist und die bessere Traktion aufweist als der Atto mit Frontantrieb. Doch das Auto hat keine versteckten Sparmaßnahmen im Fahrwerk, es holtert, dröhnt und poltert auf schlechten Straßen nicht übermäßig, flotte Kurvenfahrt gelingt ohne Schweißausbrüche. Der Eindruck von Leichtfüßigkeit täuscht nicht, der Atto ist weniger schwer als vergleichbare E-Autos, was man bei BYD mit kompakten, gewichtssparenden „Blade“-Batteriezellen (bitte nicht als blad lesen) aus eigener Produktion begründet.

Mit guter Musik aus den acht Lautsprechern zu übertönen wären hingegen die zunehmend vernehmlichen Abroll- und Windgeräusche bei Autobahntempo. Vielleicht Deep Purple?

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