Der Oscar-Kandidat „Tár“, derzeit im Kino, erzählt eindringlich aus dem Leben einer Dirigentin. Nicht das erste Mal, dass die Welt der klassischen Musik in Filmen oder Serien ernst genommen wird: Fünf Tipps für Kenner, Laien und Neugierige.
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Amadeus
Von Miloš Forman, 1984
Zum Leihen/Kaufen bei diversen Anbietern
Die (leider nicht nur) wunderbare Welt der klassischen Musik steht dank Todd Fields Oscar-Kandidat „Tár“ jüngst wieder im Schlaglicht der Filmwelt. Da Kino gemeinhin der Popkultur zugezählt wird und Klassik den höheren Künsten, könnte man annehmen, dass es zwischen den beiden nur selten zum Pas de deux kommt. Dem ist keineswegs so: Immer wieder bringt Klassik auch die große Leinwand zum Schwingen. Zum Teil buchstäblich (mehr dazu weiter unten), oft aber auch in Form von Filmbiografien berühmter Komponisten. Die im Kino früh Anklang fanden, siehe Willi Forsts Wienfilm-Urgestein „Leise flehen meine Lieder“: Ein Schubert-„Biopic“ mit Hans Jaray in der Hauptrolle und Quasi-Vorläufer heutiger Rockstar-Filmballaden.
Manche vife Regie-Renegaten wagten indes auch unkonventionelle Porträts – von sinnlich-spröde (darunter „Chronik der Anna Magdalena Bach“ von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, 1968) bis wild („Lisztomania“ von Ken Russell, 1975). Doch der König der Komponisten(-filme) ist nach wie vor „Amadeus“. So komisch, so tragisch, so tief gefühlt! Zudem lässt sich bis heute trefflich streiten, wie viel (oder wenig) wahr ist an Miloš Formans exzentrischer Mozart-Studie. (and)
Die Klavierspielerin
Von Michael Haneke, 2001
Zu sehen auf Canal+
In Todd Fields „Tár“ geht es nicht zuletzt auch um die Strenge gegen sich selbst, die der Exzellenz mancher Klassik-Performer zugrunde liegt – und darum, was sie mit einem anrichten kann. Da gibt es natürlich Vorläufer. Am naheliegendsten Michael Hanekes internationaler Durchbruch „Die Klavierspielerin“, nach Elfriede Jelineks gleichnamigem Roman. Und mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle als Klavierlehrerin am Wiener Konservatorium, die es genießt, „bis in die letzten Äderchen“ zu leiden – beim Konzertieren wie in der verhängnisvollen Beziehung zu einem Studenten. Field ist nicht nur Fan von Haneke und seinem Film, sondern auch von dessen heuer Oscar-nominierten österreichischen Schnittmeisterin Monika Willi, die er für die „Tár“-Montage gewinnen konnte. (and)
Mozart in the Jungle
4 Staffeln, 2014–2018
Zu sehen auf Amazon
Das Publikum liebt ihn, die ehrwürdigen Sponsoren nicht so sehr: Der neue Dirigent der New Yorker Symphoniker (Gael García Bernal als mexikanisches Enfant Terrible mit Bändern im Haar) soll das Orchester zu neuen Höhenflügen führen. Wenn er nicht gerade psychedelische Drogen probiert oder mit seinem imaginären Mozart streitet. Seine Biografie ist inspiriert von Gustavo Dudamel – der neben vielen Klassik-Stars einen launigen Cameo-Auftritt hat. Eine äußerst vergnügliche Serie über die Eskapaden eines bunten Orchesterhaufens – mit Lola Kirke als hipper Oboistin. (kanu)

Die Stille vor Bach
Von Pere Portabella, 2007
Zu sehen auf Mubi
Wie konnte die Menschheit vor Bach existieren? Eine leere Halle zeigt der spanische Regisseur Portabella, inspiriert von Lars Gustafssons literarischer Bach-Würdigung. Ein mechanisches Klavier spielt die „Goldbergvariationen“. Am Ende überglänzt Maurice Andrés edelmetallischer Trompetenton eine von Karl Richter zelebrierte Kadenz aus dem „Magnificat“: Bach, endlos. Nur mittendrin ein „Lied ohne Worte“ von Mendelssohn, aus der Zeit, als man auf dem Markt Fleisch in Bachs Notenpapier wickelte. Ringsum ein Memo-Spiel aus Clips unterschiedlichster Stile, vom Roadmovie bis zur Historien-Doku, verbunden durch feine Assoziationen, Echos, Anklänge. Und Bach – Mundharmonika, 20 Cellisten in der U-Bahn, der Thomanerchor. The rest ist silence. (sin)
Fantasia
Von James Algar u. a., 1940
Zu sehen auf Disney+
Die Liaison zwischen Klassik und Hollywood ist lang – und reich an denkwürdigen Momenten. Man könnte beginnen mit den US-Karrieren musikalischer Sprösslinge der Alten Welt, etwa Max Steiner, Erich Wolfgang Korngold, auch Dimitri Tiomkin. Sie prägten, geschult u. a. an europäischer Programmmusik, den oft hochemotionalen Hollywood-Sound der goldenen Ära entscheidend mit. Auch spätere Filmmusik-Kapazunder wie John Williams („Star Wars“) nennen bisweilen Werke von Richard Strauss – oder Haydns „Schöpfung“ – als Schablonen für ihre mitreißenden Leitmotive.
Auch unvergessen: Stanley Kubricks Einsatz berühmter Klassik-Versatzstücke, mal schelmisch (der „Donauwalzer“ in „2001“) mal ernst und feierlich (Händels „Sarabande“ in „Barry Lyndon“). Eher auf Bach setzte indessen Andrei Tarkowski („Solaris“) – und unlängst auch Steven Spielberg in seinem autobiografischen Drama „The Fabelmans“. Doch wer die volle symphonische Filmdröhnung sucht, ist bei Disneys Zeichentrick-Episodenfilm „Fantasia“ am besten aufgehoben: Hier tanzen Micky Maus & Co zu den Klängen von Dukas, Tschaikowski, Strawinski, Bach, Beethoven, Schubert und Ponchielli. Bravi! (and)