Jetzt bin ich schon so weit eine Poetin, dass ich sagen kann: „Schön schauen Sie in Ihrem neuen Kleid“, und ich werde nicht ausgebessert. Über die Kunst, mit Holz zu arbeiten und österreichische Literatur zu schreiben.
Es gibt so viele Tische unter der Sonne. Ein Tisch kann schnell gemacht werden, er kann einfach sein und wird roh und frisch und archetypisch genannt, er kann aber auch geschliffen und gehobelt und lackiert sein, dass er wie eine Idee scheint. Hauptsache, er steht und trägt. Er kann auch schlecht tragen, auch solche gibt es: unebene, raue, schräge. Diese nennt man Design, und sie sind teurer.
Oft ist es Geschmacksache, für welchen Tisch man sich entscheidet. Oft muss man auch aufpassen, dass er sich in die Wohnung fügt, dass er zu den anderen Sachen passt. Harmoniert, sagt man. So kann man Buche ablehnen und Eiche bevorzugen, nur weil man Eiche schon so oft zuvor bevorzugt hat, dass alles, was einen umgibt, aus Eiche ist und man, harmoniebedürftig, zu Eiche verdammt ist.
Ein Tischler bist du. Es kann passieren, du lernst in einer Werkstatt und wechselst dann in eine andere, wo Tische ganz anders gemacht werden, und du zeigst deinen her, und alle verstummen. Ohne Worte sagen sie: „Wie schön ist das und wie ungewöhnlich.“ Auch wenn du davor der Schlechteste in deiner Werkstatt warst und alle den Kopf geschüttelt haben, bist du auf einmal der, der allen in der neuen Werkstatt beibringt, wie man einen Tisch „auf deine Weise“ macht. Deine schöne, exotische Weise, die fernwehtut.
Aber das ist Glückssache. Weil Glück unberechenbar ist, kann es dir auch als dem Besten aus deiner ehemaligen Werkstatt in der neuen passieren, dass alle diesen gemeinsamen Kopf schütteln und sagen: „Lange ist noch der Weg vor dir, bevor du so gut wirst wie wir. Sei fleißig und übe, nur Übung macht den Meister. Nein, nein, rede nicht zurück – vorher hast du nämlich falsch geübt. Es wird jetzt schwer umzulernen, manchmal ist es leichter, etwas Neues zu lernen, als Erlerntes zu vergessen. Vielleicht magst du lieber Schuster sein? Denk nach. Deine Sache. Kein Ding. Uns ist es wurscht, Tischler haben wir genug, sie stehen Schlange, jeder will Tischler sein, weißt du?“
Also, angeblich wirst du als Tischler geboren. Schon sehr früh kannst du einen Tisch mit vier Beinen und einer glatten, geraden Oberfläche machen. Du bist in der Lage, einen Mechanismus einzubauen, der den Tisch aus einem Tisch für vier zu einem Tisch für sechs macht. Aber weil du deinen ersten Tisch mithilfe deiner Mutter schon mit sechs gemacht hast – einen zugegebenermaßen wackeligen und kindlichen, aber sein Zweck war es nicht, seinem Zweck zu dienen, sondern den Weg für die künftigen Tische vorzubereiten, die im besten Fall nicht nur ihrem Zweck, sondern der Menschheit dienen –, fängst du langsam an, dich zu langweilen: Die Herausforderung machte der Routine Platz.