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Wenn die Luft in Indien nur „ungesund“ ist, traue ich mich raus

Kuh und Tuk-Tuk in Delhi.
Kuh und Tuk-Tuk in Delhi.MANAN VATSYAYANA / AFP / picture
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Wieder einmal stehen wir im Stau von Delhi, der Driver ganz cool, ich genervt vom Stillstand und den sich bauschenden Abgaswolken: Vor meinen Augen löst sich das Konzept Stadt auf.

Alles, was hier berichtet wird, bezieht sich auf den Norden von Indien, auf den sogenannten Hindi Belt. Es gibt kein einziges Indien; Indien ist ein Puzzle aus vielen Indien.

Bevor ich in Delhi morgens das Haus verlasse, checke ich auf dem Handy die Luftqualität: Ist der aktuelle Wert nur ungesund, setze ich die Maske auf und mache mich auf den Weg. Erst bei gefährlich beginne ich zu überlegen. Freilich, Luftverschmutzung ist kein speziell indisches Problem. In einer chinesischen Großstadt etwa erklärte mir ein Gesprächspartner schon vor Jahren, er hätte die Sonne schon länger nicht mehr gesehen.

Für eine Autofahrt von Jaipur nach Delhi, die für gewöhnlich in vier Stunden zu bewältigen ist, brauche ich an einem Montagmorgen, wenn alles zur Arbeit nach Delhi strömt, zehn. Umdrehen auf der Interstate, um dem Stau zu entkommen, wirkt, sieht man es zum ersten Mal, unglaublich, ist aber durchaus üblich. Praktisch gilt kaum eine Verkehrsregel: Was bei uns die Regel als Ordnung erzwingt, wird hier ersetzt durch Bedachtnahme auf die anderen, durch gute Nerven und exzellente Fahrkünste.

Die Fluten des mächtigen Ganges sind bei Varanasi, bei uns eher unter dem Namen Benares bekannt und berühmt, noch leidlich sauber, die Wasser des Yamuna, an dessen Ufer Delhi liegt, sind bloß noch eine giftige Kloake.

Il mare mangia tutto, erklärte mir vor etwa fünfzig Jahren ein alter Mann, als er in Cinque Terre nahe La Spezia von einem Karren allerhand Müll ins Meer kippte. In österreichischen Wäldern kann man immer noch, freilich immer seltener, verrostete Töpfe, Autoreifen und ähnliches Zeug finden, das hier früher entsorgt wurde.

1,4 billion people – one dream, heißt es auf einem Plakat, das als Ziel für Indien vorgibt, es werde bis 2070 klimaneutral sein. Gleichsam als Garanten für die Erreichung dieses Zieles zeigt das Plakat auch das Konterfei des Ministerpräsidenten. Modi ist überhaupt allgegenwärtig, stets in dem zum Anlass passenden Outfit. One earth – one family – one future, so der blumige Slogan zum indischen Vorsitz beim diesjährigen G-20-Gipfel: A watershed occasion!


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