Wort der Woche

Ohne Geschlechtergerechtigkeit auch keine Klimagerechtigkeit

Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit. Doch dieser ist offenbar sehr vielschichtig.

Erstens: Unzählige Studien kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Frauen achtsamer mit ihrer Umgebung umgehen, sich mehr Gedanken über Umwelt und Klimaschutz machen und auf globaler Ebene stärker vom Klimawandel betroffen sind. Zweitens: Unsere heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen sind in hohem Ausmaß ein Werk von Männern. Die US-Politologin Cara New Daggett prägte für den offenkundig engen Zusammenhang zwischen „patriarchaler (weißer) Herrschaft“ und „fossilgetränktem Lebensstil“ jüngst den Begriff „Petromaskulinität“ (74 S., Matthes & Seitz, 10,90 €) – ihrer Meinung nach gehen Frauenfeindlichkeit, Autoritarismus und Leugnung des Klimawandels Hand in Hand.

Aus diesen beiden Feststellungen lässt sich zwanglos schließen, dass die Welt klimafreundlicher und nachhaltiger wäre, wenn mehr Frauen an den Entscheidungshebeln sitzen würden. Dieser Ansicht sind viele. So ist etwa im jüngsten Sachstandsbericht des UN-Weltklimarats IPCC nachzulesen, dass „die Ermächtigung von Frauen sowohl dem Klimaschutz als auch der Anpassung an den Klimawandel zugutekommt“.

Lässt sich dies auch empirisch beweisen? Das hat sich nun eine britisch-österreichische Forschendengruppe um Mathilde Rainard (University of Leeds) im Detail angesehen. Dazu wurden Daten des Global Gender Gap Index, des Gender Inequality Index und des Environmental Performance Index, die für 142 Staaten der Welt vorliegen, statistisch analysiert und mit Fachleuten diskutiert. Einerseits konnte bewiesen werden, dass Staaten mit besserer Geschlechtergleichstellung pro Kopf niedrigere CO2-Emissionen aufweisen.

Doch andererseits waren manche Korrelationen viel schwächer als erwartet – oder fehlten sogar. So ist z. B. die Korrelation zwischen Geschlechtergerechtigkeit und Umwelt-Performance nur in reichen Ländern signifikant, nicht aber in ärmeren (Frontiers in Climate, online 2. 2.). Ein Schluss der Forschenden: Die Beziehung zwischen Gender und Umwelt ist offenbar wesentlich vielschichtiger als gedacht, dabei spielen viele andere Faktoren eine Rolle. Unterm Strich stellen sie fest: „Frauen sind nicht das erwartete Patentrezept für die Lösung der Klimakrise.“

Das ändert freilich nichts daran, dass es ohne Geschlechtergerechtigkeit auch keine Klimagerechtigkeit geben kann: Gleichheit und Gerechtigkeit seien wichtige Eckpfeiler für eine nachhaltige Gesellschaft, so die Forschenden.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2023)

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