Gastkommentar

Es wäre die Ehrung eines ungehorsamen Soldaten

Warum die Klagenfurter Windisch-Kaserne dringend in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden sollte.

Straßen, Plätze oder auch Kasernen werden häufig nach Menschen benannt, die in irgendeiner Weise Vorbilder waren oder sein sollten. Doch wer ist dafür geeignet? Darüber diskutieren in Bezug auf die Windisch-Kaserne in Klagenfurt derzeit vor allem Fachleute aus Militär, Politik und Wissenschaft.

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Windisch war Generalmajor der Wehrmacht, er half zuletzt als Divisionskommandeur auf dem Balkan, den Nationalsozialisten einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu führen; er wurde als Kriegsverbrecher in Jugoslawien zum Tod verurteilt, begnadigt und kam bereits 1952 wieder frei. Darüber, dass Windisch in keiner Weise Vorbild für Soldaten eines demokratischen Staats sein kann, sollte Klarheit herrschen. Ein Nationalratsbeschluss über die Umbenennung der Kaserne wurde gefasst und harrt der Umsetzung.

Jemand, der sich als Namensgeber ausgezeichnet eignet, ist Richard Wadani. Der 2020 in Wien Verstorbene verweigerte sich dem NS-Regime als Soldat, und zwar aus tiefer politischer Überzeugung. Er lief im Oktober 1944 an der Westfront zu den Alliierten über, nachdem er bereits auf dem sowjetischen Kriegsschauplatz aktiven Widerstand geleistet hatte. Im Herbst 1944 schloss er sich sofort nach seiner Ankunft in einem amerikanischen Internierungslager der tschechischen Exilarmee an (Wadani war in Prag geboren worden). Er wollte mit der Waffe in der Hand gegen den deutschen Faschismus kämpfen.

Kämpfte gegen das Vergessen

Bei seiner Rückkehr nach Wien im Jänner 1946 sah Wadani sich einer Mehrheit ehemaliger „Volksgenossen“ gegenüber, die sein Handeln während des Kriegs verurteilte. Auch als Mitglied der KPÖ kämpfte er gegen das Vergessen – an die NS-Verbrechen, die Verbrecherinnen und Verbrecher. Immer wieder versuchte er innerhalb der KPÖ das negative Bild des Deserteurs zurechtzurücken, auch dort über viele Jahre vergeblich.

Erst gegen Ende der 1990er-Jahre gelang es ihm, zunächst mit Unterstützung der Grünen und zivilgesellschaftlichen Gruppen, sich und seinem Thema Gehör zu verschaffen – die KP hatte er bereits nach dem Prager Frühling verlassen. Ein am Ende breites Bündnis politischer und gesellschaftlicher Gruppen und Personen (von Bundespräsident Heinz Fischer, ÖVP-Politikern wie Andreas Khol und Fritz Neugebauer über Kardinal Christoph Schönborn bis zu Künstlerinnen wie Elfriede Jelinek oder Friedrich Cerha) erreichte 2009 die Anerkennung der ungehorsamen Soldaten als NS-Opfergruppe und deren vollständige gesetzliche Rehabilitierung (mit den Stimmen aller Parteien im Nationalrat außer der FPÖ).

Erster Wehrmachtsdeserteur

Wadani war Gesicht und Motor dieser Bewegung, auch für das 2014 errichtete Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz auf dem Wiener Ballhausplatz. Diese vergangenheitspolitischen Meilensteine brachten ihm große, auch internationale Anerkennung. Folgerichtig erhielt er 2007 als erster österreichischer Wehrmachtsdeserteur das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs. Der Weg dahin war lang und steinig, über Jahrzehnte geprägt von Abwehr, Ausgrenzung und Feindschaft. Doch Wadani ließ sich, auch darin ein Vorbild, niemals von seinen als richtig erkannten Zielen abbringen, frei nach dem Motto: Manchmal ist der Einzige nur der Erste.

Als Vorbild wirkte Wadani übrigens auch als Zivilist: Viele Jahre trainierte er die österreichische Volleyball-Nationalmannschaft und war als Diplomsportlehrer für den Pensionistenverband der SPÖ tätig, was ihm 1984 das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich einbrachte.

Die Erinnerung an Wehrmacht und Krieg und die historische Rolle des „Großdeutschen Reichs“ im 20. Jahrhundert muss (nicht nur) in den Kasernen der Republik stets neu verhandelt werden. Gefragt sind dabei Soldaten, die als Vorbilder dienen können – und zwar nicht als „Pflichterfüller“ im Sinne Kurt Waldheims, sondern als mündige Staatsbürger.

Richard Wadanis Beispiel entfaltet große Leuchtkraft: Er war kein Konformist, keiner, der die geraden und wenig beschwerlichen Pfade beschritt, ganz gleich ob als Wehrmachtssoldat, als Kommunist oder als österreichischer Patriot. Gängige Doktrin, blinden Gehorsam und Mehrheitsmeinungen stellte er stets kritisch infrage und kam dabei oft zu Antworten, die seine Zeitgenossen herausforderten und irritierten, die sich aber in vielen Punkten als richtig erwiesen. Wadani war schließlich wesentlich daran beteiligt, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zu schmieden, um auf demokratischen Wegen zumindest in Parlamenten und medialen Diskursen überkommene Geschichtsbilder zu überprüfen und zu korrigieren.

All das macht Richard Wadani, dessen Familie väterlicherseits aus Kärnten stammte, zum idealen Namenspatron für den Sitz von Streitkräften eines demokratischen Rechtsstaats: einer Armee, deren Soldaten sich im Rahmen der gegebenen Strukturen kritisch mit ihrem Beruf und ihrem Auftrag auseinanderzusetzen haben – auch und gerade in Zeiten, in denen der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zum Autor

Magnus Koch, Historiker und Autor der Biografie über Richard Wadani („Da habe ich gesprochen als Deserteur“, gemeinsam mit Lisa Rettl), Leiter des Arbeitsbereichs Ausstellungen und Geschichte bei der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung in Hamburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2023)

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