Reformen statt schnelles Wachstum: Premier Li schlägt zu Beginn des Nationalen Volkskongresses moderate Töne an. Auch in Bezug auf Taiwan hält er sich mit Drohungen zurück.
Peking. Wenn man Chinas Nationalen Volkskongress als politisches Theater begreift, dann ist der vom Premier vorgelegte Arbeitsbericht eine mit Spannung erwartete Exposition. Während seines einstündigen Vortrags am Sonntagmorgen arbeitete Li Keqiang vor knapp 3000 Abgeordneten in der Großen Halle des Volks sämtliche Themenfelder ab, die in den nächsten Monaten die Stoßrichtung des Landes bestimmen werden. Die meisten Beobachter waren jedoch auf eine einzige Zahl gespannt: das von der Regierung gesetzte Wachstumsziel. Mit „rund fünf Prozent“ liegt es dieses Jahr so niedrig wie seit über einem Vierteljahrhundert nicht mehr.
Überhaupt ist der am Sonntag gestartete Volkskongress ein ganz besonderer: Erstmals nämlich tagt das chinesische Scheinparlament, seit sich Xi Jinping eine umstrittene dritte Amtszeit sichern ließ. Dementsprechend wird der mächtige Staatschef während der achttägigen Veranstaltung auch seine neue Führungsmannschaft vorstellen, die mehr denn je aus politischen Ja-Sagern besteht. Zudem tagen die Delegierten während besonders turbulenter Zeiten: Zweieinhalb Jahre „Null Covid“ haben der zweitgrößten Volkswirtschaft empfindlich zugesetzt; die geopolitischen Spannungen mit den USA nehmen deutlich zu; und langfristig droht der demografische Wandel, Chinas Aufstieg auszubremsen.