Ex-US-Präsident Trumps pathetische Hymnen-Single ist ein Versuch, die Geschehnisse vom 6. Jänner als Ungerechtigkeit der Justiz an harmlosen Demonstranten darzustellen.
Er singt nicht wirklich. Doch es geht ohnehin weniger um die künstlerische Darbietung, als um das politische Statement. Ex-US-Präsident Donald Trump hat eine Single veröffentlicht. Trump, der seine Kandidatur für die US-Wahlen 2024 bereits angekündigt hat, spricht dabei den in den USA sehr populären Eid auf die Flagge ("Pledge of Allegiance"), während eine Gruppe von in Washington D.C. inhaftierter Männer die US-Hymne singt - unterlegt von dramatisch-pathetischen Synthesizer-Streicher-Klängen.
Es ist allerdings kein reiner Akt von zur Schau gestelltem Patriotismus. Die Gruppe der Gefangenen besteht ausschließlich aus Männern, die am Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 beteiligt waren. Damals hatten Anhänger Trumps den Sitz des US-Kongresses gestürmt, in dem die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Eine von Trump aufgestachelte Menge drang gewaltsam in das Gebäude ein, fünf Menschen starben.
Die Einnahmen aus Verkauf und Streaming der am Freitag veröffentlichten Single "Justice For All“ ("Gerechtigkeit für alle") soll Familien der Inhaftieren zugutekommen. Allerdings hieß es, dass das Projekt nicht Familien von Personen zugutekommen kommen soll, die einen Polizeibeamten angegriffen hätten.
Unter Berufung auf eine Person, die mit dem Projekt vertraut sei, berichtete das US-Magazin Forbes, der Chor bestehe aus etwa 20 Insassen des Gefängnisses in Washington DC. Die gesungene Hymne sei mit einem Telefon im Gefängnis aufgenommen worden. Einige dieser Insassen sollen Berichten zufolge jede Nacht die Nationalhymne singen.
Barb McQuade, Juraprofessorin an der University of Michigan, bezeichnete den Song in der britischen Zeitung „Guardian" als „Desinformationstaktik". Trump, der auf der konservativen CPAC-Konferenz ankündigte, selbst im Fall einer Anklage gegen ihn als Präsidentschaftskandidat antreten zu wollen, setzt mit diesem Projekt einen weiteren Schritt in seiner Erzählweise, dass die gewalttätigen Demonstranten beim Kapitol lediglich Opfer der Justiz bzw. vom Staat verfolgt seien.
Der Versuch, Trump gerichtlich haftbar zu machen
Zwei Kapitol-Polizisten und mehrere demokratische Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses versuchen, Trump für physische und psychische Verletzungen vor Gericht verantwortlich zu machen, die sie während der Attacke erlitten haben. Sie fordern Schadenersatz.
Trump hatte argumentiert, er sei durch seine "absolute Immunität" als Präsident vor solchen Schadenersatzforderungen geschützt, auch für Handlungen im "äußeren Rahmen" seines Amtes. Das Justizministerium kam vor wenigen Tagen zu einem anderen Ergebnis: Öffentliche Reden über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse seien zwar eine traditionelle Aufgabe des Präsidenten und der "äußere Rahmen" umfasse ein weites Feld. Die Immunität des Präsidenten schütze aber nicht vor Aufstachelung zu Gewalt.
(Red./Ag.)