Anti-Regierungsproteste

Iranische Staatsmedien: Khamenei begnadigte 80.000 Gefangene

Ali Khamenei auf einem vom Iran am 6. März veröffentlichten Bild bei einer Zeremonie eines neu eingepflanzten Baums.
Ali Khamenei auf einem vom Iran am 6. März veröffentlichten Bild bei einer Zeremonie eines neu eingepflanzten Baums.APA/AFP/khamenei.ir/-
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Zahlreiche im Rahmen der jüngsten Protestwelle Inhaftierte könnten aus dem Gefängnis entlassen werden. Der oberste geistliche Führer des Irans forderte außerdem eine ernsthafte Verfolgung der Fälle der vergifteten Schulmädchen.

Der iranische Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei hat laut Staatsmedien mehr als 80.000 Gefangene begnadigt. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur IRNA am Montag unter Berufung auf Justizchef Gholam-Hossein Mohseni-Ejei. Die Begnadigungen wurden im Februar kurz vor dem Jahrestag der Islamischen Revolution von 1979 angekündigt. Ähnliche Amnestien gab es immer wieder rund um den Jahrestag.

Unter den Begnadigten sollen zahlreiche im Rahmen der jüngsten Protestwelle Inhaftierte sein. Überprüfen lassen sich die Zahlen nicht. Prominente Kulturschaffende, Aktivisten und Menschenrechtler wurden jüngst freigelassen. Die Begnadigungen waren an strenge Voraussetzungen geknüpft. Unter anderem werde keinen Gefangenen vergeben, denen Spionage zur Last gelegt wird. Auch Mord, Beschädigung oder Brandstiftung von Regierungs- oder Militäreinrichtungen schließen einen Gnadenspruch aus. Die Amnestien seien ein Ablenkungsmanöver, nachdem die politische und geistliche Führung unter Druck geraten war, sagten Kritiker. Sie bemängelten auch, dass für eine Begnadigung eine Anklage vorliegen müsse. Sei dies nicht der Fall, müssten sich Inhaftierte selbst belasten, kritisierten Menschenrechtler.

Die jüngste Protestwelle im Herbst hatte die iranische Führung in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt. Auslöser war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam. Die 22-Jährige war vor rund einem halben Jahr wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden. Mehr als 500 Demonstranten wurden im Rahmen der Proteste getötet, rund 20.000 nach Schätzungen von Menschenrechtlern inhaftiert.

Vergiftung als „unverzeichliches Verbrechen"

Khamenei hat außerdem die jüngsten Vergiftungen von Schülerinnen als "unverzeihliche Verbrechen" bezeichnet. Die Behörden müssten die Fälle ernsthaft verfolgen, sagte Khamenei laut Staatsmedien am Montag. "Die Täter sollten streng bestraft werden." Am Wochenende war es in mehreren Städten zu Protesten von Eltern gegen die mutmaßlichen Anschläge gekommen.

Eine der Kundgebungen in Teheran entwickelte sich Videoaufnahmen zufolge zu einer regierungsfeindlichen Demonstration. Seit November war es zu ungeklärten Giftanschlägen auf mehr als 30 Schulen in weiten Teilen des Landes gekommen. Dem Gesundheitsministerium zufolge sind Hunderte Mädchen erkrankt.

Einige Politiker hatten angedeutet, die Schülerinnen könnten Ziel religiöser Gruppen gewesen sein, die eine Schulbildung für Mädchen ablehnen. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi machte unlängst "ausländische Feinde" für die Anschläge verantwortlich. Raisi ließ offen, wen er damit meinte. Allerdings werden regelmäßig die USA und Israel als Feinde der Islamischen Republik bezeichnet. Die iranischen Machthaber sehen sich seit Monaten mit Anti-Regierungs-Protesten konfrontiert, die nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini begonnen hatten. Amini war Mitte September in Polizeigewahrsam gestorben. Zuvor war sie von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch falsch getragen haben soll. Auch Schülerinnen beteiligten sich an den Protesten.

(APA/dpa/Reuters)

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