Der Streit um die Ursache des Flugzeugunglücks geht weiter. Polnische Ermittler behaupten jetzt, dass die Piloten "noch abdrehen wollten". Im russischen Abschlussbericht steht das genaue Gegenteil.
Die polnische Regierung will sich mit dem russischen Abschlussbericht über den Absturz der Präsidentenmaschine nicht begnügen - und gibt nach und nach ihre Version des Dramas preis. Am Montag berichtete die polnische Tageszeitung "Gazeta Wyborcza", dass die Piloten nach Angaben von polnischen Ermittlern versuchten, den Landeversuch noch abzubrechen.
Die russische Ermittler präsentierten in der Vorwoche ganz andere Untersuchungsergebnisse: Demnach wollten die Piloten aus Angst vor der Wut des Präsidenten und des zum Unglückszeitpunkt angetrunkenen Luftwaffenchefs "um jeden Preis landen".
Polen zweifelt diese Version an. Nach Angaben der "Gazeta Wyborcza" vom Montag würden die Auswertung der Flugschreiber (Blackboxen) und registrierte Bewegungen des Volants beweisen, dass die Piloten den Landeversuch noch abbrechen wollten.
Die Informationen wurden der Zeitung vom Vizechef der polnischen Untersuchungskommission, Miroslaw Grochowski, bestätigt. Die Piloten hätten es jedoch nicht geschafft, das Manöver durchzuführen, hieß es. Warum, soll die polnische Kommission nun klären.
Testflug soll Klarheit bringen
Für diesen Zweck soll ein Testflug mit der einzigen verbliebenen polnischen Tupolew 154M durchführen. In sicherer Höhe sollen alle von den Blackboxen registrierten Schritte der Besatzung der verunglückten Regierungsmaschine nachgestellt werden.
Vor der Veröffentlichung des Abschlussberichts aus Russland bot Polen der russischen Seite die Ergebnisse der von polnischen Spezialisten durchgeführten Untersuchungen der Aufnahmen aus dem Cockpit an. Das russische "Zwischenstaatliche Luftfahrt-Komitee MAK" zog diese jedoch nicht in Betracht. Die russische Kommission nannte die Fortsetzung der Landung trotz extrem schwieriger Wetterbedingungen als eine der Ursachen der Katastrophe.
Opposition profitiert von Bericht
Unterdessen ist nach der Veröffentlichung des russischen Berichts die Unterstützung für die rechtsliberale Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk um zwei Prozentpunkte auf 35,6 Prozent gesunken. Das geht aus einer Umfrage des Instituts "Homo Homini" für den Polnischen Rundfunk hervor. Zugleich stieg die Unterstützung für die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die den Umgang der Regierung mit der Katastrophe von Smolensk scharf kritisiert, um zwei Prozentpunkte auf 26 Prozent.
Bei dem Flugzeugunglück am 10. April 2010 waren der damalige polnische Präsident Lech Kaczynski sowie alle 95 weiteren Passagiere ums Leben gekommen. Unter ihnen waren zahlreiche Abgeordnete und die gesamte Armeeführung. Die Delegation war unterwegs zu einer Trauerfeier für die 1940 vom sowjetischen Geheimdienst NKWD bei Katyn getöteten polnischen Offiziere und Zivilisten.
(APA/Red.)