Gastkommentar

Ich arbeite Teilzeit, weil ich will

Wie lässt sich das Dilemma mit der Teilzeit lösen? Ein Nachtrag zur kürzlich vehement geführten Debatte.

Die Autorin

Sigrid Uray-Esterer (*1980), Studium an der FH IMC Krems, Co-Gründerin der Jobsharing-Plattform JobTwins.

Im Zuge der Diskussionen um Teilzeit und Vollzeit der vergangenen Wochen ist Arbeitsminister Martin Kocher rasch zurückgerudert. In seiner ersten Aussage zu dem Thema in einem Interview hinterfragte er Sozialleistungen für Teilzeitarbeitende. Dann wurden Personen mit Betreuungspflichten und gesundheitlichen Einschränkungen ausgenommen. Die Gesellschaft hadert vor allem mit der „freiwilligen“ Teilzeit. – Dazu stellen sich zwei Fragen: Erstens, warum arbeiten die Menschen in der freiwilligen Teilzeit?

Es herrscht die Meinung, dass die Jüngeren sich nur für ihre Work-Life-Balance interessieren. Ob sie daneben karitativ arbeiten, Start-ups gründen oder sich sonst irgendwie produktiv (für die Volkswirtschaft) betätigen könnten, wird nicht gesehen.

Dass ältere Menschen, die gern noch arbeiten möchten, aber nicht mehr so viel Energie wie früher haben, in Altersteilzeit gehen, wird ebenfalls nicht adressiert.

Zweitens, was bedeutet für die Regierung die Betreuungspflicht der Eltern bzw. der Mütter? Wir wissen, dass über 49 Prozent aller erwerbstätigen Frauen in Österreich in Teilzeit arbeiten. Man spricht aber nicht darüber, wie viele Stunden sie arbeiten. Es kann sich um zwölf Stunden oder auch um 35 Stunden („vollzeitnahe Teilzeit“) handeln. Produktivität wird nicht gemessen.

Betreuen, aber wie lang?

Dann wünscht man sich außerdem, dass die Eltern nach dem Ende der Betreuungspflicht wieder in Vollzeit einsteigen. – Doch was genau ist damit gemeint? Wann enden die Betreuungspflichten für Kinder? Ich war immer der Meinung, dass ich bis zur Volljährigkeit meiner Kinder für sie verantwortlich bin.

Vielleicht ist die Wahrnehmung der Politik, dass sich alle Herausforderungen für Eltern mit dem Eintritt der Kinder in die Volksschule in Luft auflösen.

Es wird gern und viel über Kindergarten und Kinderbetreuungseinrichtungen verhandelt, egal ob am Land oder in der Stadt. Dabei gehen unsere Betreuungspflichten doch weit über den Kindergarten und die Volksschuljahre hinaus.

Studien belegen mittlerweile, dass Eltern auch in Teilzeit arbeiten, weil sie es wollen! Sie möchten ihre Kinder nicht erst um 17.30 Uhr aus der Ganztagesvolksschule abholen. Selbst mit dieser Schulform gehen sich zwei Vollzeitjobs für die Eltern kaum aus. Und hier sind Alleinerziehende, die noch mit ganz anderen Problemen konfrontiert sind, nicht berücksichtigt.

Wo sind die Vorschläge?

Wie also stellen wir uns vor, wie wir das aktuelle Dilemma mit der Teilzeit lösen? Die Anzahl der Teilzeitarbeitenden, die etwaige Nachteile – welcher Art auch immer – zu verkraften hätten, konnte von Minister Kocher nicht definiert werden. Auch die Vorschläge, wie man Vollzeit ganz konkret attraktiver machen will, gibt es nicht. – „Man wird sich das anschauen und Gespräche führen.“

Vielen Dank dafür.

Was wäre denn zum Beispiel damit, mehr Teilzeitstunden für Mütter attraktiv zu machen? Hier gibt es flexible Arbeitsmodelle wie Jobsharing, bei denen sich zwei qualifizierte Teilzeit-Fachkräfte eine Vollzeitstelle teilen. Dies bietet einen Anreiz, nach der Karenz mit mehr Stunden zurückzukehren, und erleichtert am Ende auch den Wiedereinstieg in die Vollzeitarbeit.

Wir verstehen alle, dass unser Sozialsystem irgendwie finanziert werden muss. Um aber zu motivieren und anzuregen, sollte die Politik endlich konkrete Vorschläge bringen und nicht einfach mit der Feststellung von Missständen glänzen. Das sehen und spüren wir schon selbst.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2023)

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