Premium
Weibliche Genitalverstümmelung

Waris Dirie: "Es ist egal, ob ein Finger oder die Klitoris abgeschnitten wird"

ÖVP-Menschenrechtssprecherin Kugler (Mitte) lud Dirie (rechts) am Sonntag in die Wiener Donaustadt. Sie zeigt sich nach mehr als 20 Jahren Bewusstseinsbildung "zermürbt": Der Weste tue zu wenig, um die grausame Praxis an Mädchen zu verhindern.
ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler (Mitte) lud Waris Dirie (rechts) am Sonntag in die Wiener Donaustadt. Die Aktivistin zeigt sich nach mehr als 20 Jahren Bewusstseinsbildung "zermürbt": Der Westen tue zu wenig, um die grausame Praxis an Mädchen zu verhindern.(c) Caio Kauffmann
  • Drucken

Waris Dirie kämpft seit 25 Jahren gegen weibliche Genitalverstümmelung (FGM), die in Afrika und im Nahen Osten weit verbreitet ist. Westlicher Politik wirft sie vor, sich „einen Scheiß“ darum zu kümmern, sagt sie im Gespräch mit ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler. Wie viele Frauen genau in Österreich betroffen sind, weiß bis dato niemand.

Die Presse: Frau Dirie, Sie gelten als Gallionsfigur im Kampf gegen FGM, bei der Klitoris und Schamlippen, meist ohne Betäubung, mit Scheren, Glasscherben, Messern oder Rasierklingen abgetrennt werden. Ihre Bewusstseinsbildung hat vermutlich Millionen Mädchen das Leben gerettet. Was hat sich in den vergangenen 25 Jahren verändert?

Dirie: Ich bin nicht nur FGM. Es ist mehr als das. Es geht um jede Form von Gewalt, die Mädchen und Frauen angetan wird. FGM ist nur ein Wort. Es ist egal, ob einer Frau ein Finger abgeschnitten wird oder die Klitoris. Ich bin gegen jede Gewalt.

Sehen Sie Verbesserungen?

Dirie: Es ist besser geworden. Ich würde heute hier nicht mit Ihnen sitzen, glauben Sie mir, wenn ich keine Veränderungen sehen würde. Sonst hätte ich schon aufgegeben.

In Afrika oder weltweit?

Dirie: Auf jeden Fall in Afrika. Das ist das Erste, an das man denkt, weil es dort hauptsächlich passiert. Es passiert aber auch im Nahen Osten. Es ist ein so abstoßendes, so schockierend unmenschliches Verbrechen. Ich verstehe einfach nicht, dass es das weiterhin gibt. Wie soll man über so etwas reden? Es geht um die Gewalt an einem Kind. Nach 20 Jahren bin ich verdammt gelangweilt und müde. Ich will Taten sehen. Ich glaube an Taten. Ich glaube nicht an das Reden über Geschichten.

Die Politik tut zu wenig?

Dirie: Sie tut nichts, das wissen wir.

Damit sind Sie gemeint, Frau Kugler. In Österreich gibt es erst seit einem Jahr eine Koordinierungsstelle, genaue Daten gibt es nicht.

Dirie: Wieso wissen Sie das nicht? Das kann doch nicht sein.

Kugler: Sie haben absolut Recht. Wir brauchen mehr Daten.


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.