Berlusconis TV-Beichte: „Ich zahle nie für Sex“

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Die Justiz ermittelt gegen den Regierungschef wegen Sex mit Minderjährigen. Niemals in seinem Leben, sagt der 74-Jährige, habe er gegen Bezahlung Beziehungen zu einer Frau gehabt, das sei unter seiner Würde.

Rom. Der Mann im dunklen Anzug sitzt an seinem Schreibtisch, vor einer Regalwand mit Videos und Büchern. Hinter ihm lachen Kinder von Fotos. Er spricht eindringlich, strahlt Seriosität aus, ist staatsmännisch im ganz privaten Rahmen. Allzu oft kommt es nicht vor, dass sich Silvio Berlusconi direkt ans Volk wendet. An diesem Sonntagabend aber hat Italiens Ministerpräsident so Gewichtiges mitzuteilen, dass er zum Mittel der Videobotschaft greift, aufgenommen in seiner Villa in Arcore bei Mailand. Zwei seiner Sender und auch der Staatssender Rai übertragen sie.

Niemals in seinem Leben, sagt der 74-Jährige, habe er gegen Bezahlung Beziehungen zu einer Frau gehabt, das sei unter seiner Würde. Vielmehr habe er seit seiner Trennung von seiner zweiten Ehefrau, Veronica Lario, „eine feste Beziehung“ zu einer anderen. Die Nation hört gierig zu. Seit Freitag ergötzt sich das Land wieder am Fall „Ruby-Gate“. „Ruby“, dahinter verbirgt sich die junge Marokkanerin Karima el Mahroug, die von ihrer Familie in Sizilien weggelaufen ist, um in Mailand ihr Glück als Showsternchen zu suchen. Schon im Herbst wurde bekannt, dass sie noch als Minderjährige nächtens in Arcore aus- und einging. Der Ministerpräsident soll sogar persönlich interveniert haben, um das Mädchen nach einem Diebstahl aus dem Polizeigewahrsam freizubekommen – unter dem Vorwand, bei der jungen Dame handle es sich um eine Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak.

Ein altbekanntes Schauspiel

Die Affäre holt ihn jetzt ein. Am Freitag wurde bekannt, dass die Mailänder Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Regierungschef eingeleitet hat, wegen Prostitution mit Minderjährigen und Amtsmissbrauchs. Das saß. Nur wenige Stunden vorher hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass auch der Ministerpräsident nicht automatisch wegen seiner Amtspflichten seinen Prozessen fernbleiben kann. Und nun das. In der langen Liste der Ermittlungen und Verfahren gegen Berlusconi sind diese Vorwürfe tatsächlich neu – und gefährlich.

Das Schauspiel in der Öffentlichkeit aber ist das Altbekannte. Täglich werden die Medien mit Details aus Ermittlungen gefüttert. „Es ist kein freies Land“, sagt Berlusconi, dieses Italien, in dem eine politisierte Justiz jedes Maß verloren habe. „Seit 17 Jahren werde ich von der Justiz verfolgt, in der Hoffnung, mich aus dem Amt zu drängen“, hat er zuvor schon schriftlich erklären lassen. Das kennt man alles seit Jahren, beide Seiten beherrschen ihr Geschäft.

„Seinetwegen müssen wir uns vor der Welt schämen“, sagt Oppositionschef Pier Luigi Bersani. Die Rufe nach einem Rücktritt des Regierungschefs aber sind nicht minder rituell. Nichts fürchtet Italiens Linke derzeit mehr als Neuwahlen.

Dabei ist Berlusconi angeschlagen, schließlich hat er seine Mehrheit im Parlament verloren und jetzt ein neues Problem mit der Justiz. Schon immer handelte er nach dem Motto „ Angriff ist die beste Verteidigung“. Erfunden und grotesk seien die Anschuldigungen, mit einer Minderjährigen Sex gehabt zu haben, sagt er. Er sei gern mit jungen Leuten zusammen und helfe ihnen auch, wenn nötig.

Vernehmung Ende der Woche?

Zumindest das deckt sich mit den Aussagen der jungen Frau. Für ihre angeblich drei Besuche in Arcore will sie Schmuck und 7000 Euro bekommen haben. Doch handelte es sich wirklich nur um „entspannende Abendessen“ mit Gästen wie etwa Wladimir Putin? Die Justiz vermutet, dass Berlusconi sich für solche Zwecke sogar eine Art „Edelharem“ hielt: junge Frauen, die umsonst in einst von ihm gebauten Wohnungen lebten und auf Abruf nach Arcore gebracht wurden. Bei einer Durchsuchung fanden die Ermittler neben Schmuck, teuren Kleidern und erotischem Spielzeug auch hohe Geldbeträge – ein Indiz für erbrachte sexuelle Dienstleistungen, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft.

Sie geht davon aus, dass diese Dienste von „guten Freunden“ vermittelt wurden, gegen die ebenfalls Ermittlungen laufen. Bereits Ende dieser Woche soll Berlusconi persönlich in Mailand vernommen werden. Die Staatsanwälte drohen auch damit, im Schnellverfahren einen Prozess zu eröffnen.

Dass er einer Vorladung Folge leistet, gilt als ausgeschlossen. Auch das ist Teil des seit Jahren eingeübten Rituals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2011)

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