Aufarbeitung

Gefälschte Hitler-Tagebücher: Wie beschönigend zeichnet das Fake den "Führer"?

kpa/United Archives via Getty Im
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1983 löste der „Stern“ mit gefälschten Hitler-Tagebüchern einen gewaltigen Medienskandal aus. Nun hat der NDR sie online gestellt.

Eva hat recht, wenn sie meint, ich muss mehr auf mich achten. Die Blähungen haben stark zugenommen. Eva sagt auch, ich rieche wieder sehr stark aus dem Munde“: Adolf Hitler, ein Mensch wie du und ich! Mit Mundgeruch! Dass ein „Stern“-Redakteur beim Entziffern solcher Zeilen ernsthaft glaubt, Hitler habe sie selbst geschrieben, und darob in Ekstase gerät, ließ die Kinobesucher 1992 herzlich lachen. Helmut Dietl musste für seine Satire „Schtonk!“ wenig satirisch zuspitzen: So steht es tatsächlich in den vermeintlichen Tagebüchern, die das Hamburger Nachrichtenmagazin dem Fälscher Konrad Kujau vor knapp 40 Jahren um neun Millionen Mark abkaufte. Davon kann sich jetzt jedermann überzeugen. Denn der Norddeutsche Rundfunk hat eine transkribierte, von Historikern editierte Fassung aller 60 Bände als Buch veröffentlicht und auf seine Webseite gestellt.

So viel Aufwand um ein plumpes Fake? Es geht nicht nur um Magenleiden und spärliche Einblicke in ein erfundenes Privatleben. Zum größten Teil geht es um Politik. Damit stellt sich die nicht mehr lustige Frage: Wie verharmlosend ist das Bild, das da gezeichnet wurde? Kein Ergebnis liefert die Suche unter Stichwörtern wie „Endlösung“, „KZ“ oder „Auschwitz“. Der Holocaust findet hier nicht statt. Ergo, so wohl das perfide Kalkül, könne Hitler nichts davon gewusst haben. Die exkulpierende Tendenz zieht sich durch. Es beginnt schon 1933, mit den Bücherverbrennungen: „So etwas Dummes. Konnte es nicht verhindern. Was wird das Ausland wieder dazu sagen?“ In diesem Stil geht es weiter. Die Rassengesetze von 1935? „Zu scharf abgefasst“. Die Pogromnacht von 1938? „Unschöne Übergriffe“, und: „Es geht nicht, dass unserer Wirtschaft durch einige Hitzköpfe Millionenwerte vernichtet werden, allein schon an Glas. Sind diese Leute verrückt geworden?“

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