Amanshausers Album

Das Spirituelle zieht aus, das Profane ein

Manches Hotel hat eine Kirche in seiner DNA, so etwa das originelle Bunk in Amsterdam.
Manches Hotel hat eine Kirche in seiner DNA, so etwa das originelle Bunk in Amsterdam. Bunk Hotels
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Ich mag Gotteshäuser, lebendige, entweihte, profanisierte Bezahlkirchen und Kirchenlokale.

Als Ungetaufter pflege ich keine Beziehung zu irgendeinem Gott, aber dennoch gute Beziehungen zu ­Kirchen. Schon meine Großmutter, ebenso ungläubig, ermahnte mich oft, auf Reisen die jeweils relevanten Kirchen zu besuchen. Danach richte ich mich weiterhin, benehme mich dort als respektvoller Beobachter der Glaubenspraxis. Umso mehr irritiert mich, wenn Kirchen, wie in Italien öfter üblich, Eintritt verlangen. Ich spreche nicht von entweihten, profanisierten, zu Museen umgebauten, sondern von funktions­fähig-lebendigen Gotteshäusern in ­Touristengegenden.

Bekanntlich lässt die christliche Religion die Hoffnung auf Bekehrung nie fahren. Daher sollte sie auch scheinbar hoffnungslose Fälle wie mich mit offenen Armen empfangen – wer weiß, vielleicht lässt sich entgegen aller Wetten noch was ändern bei diesem Schlawiner . . . „Niemals!“, schreie ich innerlich. „Wirst schon sehen“, murmelt Gott mit übermenschlicher Gelassenheit. So wie der damals junge SPD-Politiker Schröder am Zaun des deutschen Kanzleramts ­rüttelte und rief: „Ich will da rein!“, so denke ich bei Bezahlkirchen: Ich will da rein! Und in Gottes Namen bezahle ich.

Die römisch-katholische Kirche St. Rita in Amsterdam Noord, deren Bombardement Anne Frank beschrieb, heute das Hotel Bunk, ist ebenso entwidmet wie zum Beispiel 1887 evangelische Kirchen in Thüringen. Da überall will ich rein! Ich zahle weiterhin: zum Beispiel in Magdeburgs Immanuelkirche, als Gast im gemütlichen Restaurant „Die Kirche“ (seit 2007).

Bis 1965 stand in Wien, in der Mitte der Wiedner Hauptstraße, die Florianikirche („Rauchfangkehrerkirche“). Als Verkehrshindernis wurde sie 1965 mit katholischer Billigung abgerissen. Mein Balkon war in den Neunzigerjahren nur etwa zehn Meter Luftlinie von dem Ort entfernt, an dem der schöne Bau einst nach oben ragte. Sie wurde durch einen (architektonisch ebenfalls interessanten) Stahlbetonquader am Rand der Straße ersetzt, der Pfarrkirche St. Florian. Ob Gott dort je einzog? Der Geist der von den Bürokraten abgemurksten Rauchfangkehrerkirche weht immer noch durch den Bezirk. 

("Die Presse Schaufenster" vom 24.03.23)

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