Fußball-Kult

Giovanni Trapattonis Wutrede: „Struuunz! Wie eine Flasche leer! Ich habe fertig!"

Giovanni Trapattoni Pressekonferenz am 10.03.98 Bayern Trainer Giovanni Trapattoni bei seiner legendaeren Pressekonferenz
Giovanni Trapattoni Pressekonferenz am 10.03.98 Bayern Trainer Giovanni Trapattoni bei seiner legendaeren PressekonferenzIMAGO/Thomas Exler
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Am 10. März 1998 platzte Startrainer Giovanni Trapattoni der Kragen, der Italiener rechnete mit Bayern-Stars ab. Der „Maestro“ wurde zur Legende: es ist die Mutter aller Wutreden. Bayerns ehemaliger Mediendirektor Markus Hörwick erinnert sich. Und, auch aus seiner Salzburg-Zeit ist ein „Ausbruch“ unvergessen.

Es gibt Augenblicke, die vergisst man einfach nicht. Sie bleiben stets real, über Jahre, Jahrzehnte hinweg. Die Erzählungen dazu werden mitunter bunter bis vielfältiger, doch der Kern ihrer Legende bleibt unverändert. Dank Youtube sind sie allgegenwärtig, greifbar, hörbar, spürbar. Verbunden mit unzähligen Erinnerungen, weil man ja selbst später mit ihm in Salzburg zu tun und selbst, bei zugegeben: direkteren Fragen ebenso sein Fett abbekommen hatte. Impulsiv, direkt, ehrlich: diesen Stil pflegte Startrainer Giovanni Trapattoni 38 Jahre lang gar beharrlich.

Auch wenn er diese Momentaufnahme später nur noch ungern kommentieren oder Fragen dazu in seiner Zeit als Bullen-Coach (2006 – 2008, 2007 Meister) gar nicht hören wollte: als Trapattoni am 10. März 1998 sich auf einer Pressekonferenz des FC Bayern in Rage (genauer Wortlaut siehe Artikel rechts) redete nach einer 0:1-Niederlage gegen Schalke, wurde ein Kapitel Sportgeschichte geschrieben.

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Kabarett, Fußballkunst, in gebrochenem Deutsch, gefluchtem Italienisch. Amüsant und abrechnend mit Münchner Schickeria, Schönwetterfußball und Spielverläufen, die seinem Verständnis von System, Anmut und peniblen Wunsch widersprachen. „Wie eine Flasche leer“, „Struuunz – was erlaube“ oder „Ich habe fertig“: das sind seitdem Schlagwörter, die fast jeder kennt. Es sind Eckpfeiler – der „Mutter aller Wutreden“.

Die Spieler an die Wand „geklatscht"

Die Geschichte, dass der „Maestro“ seine vornehme Zurückhaltung über Bord warf und mit Spielern wie Mehmet Scholl, Mario Basler, „diese“ Thomas Strunz hart ins Gericht ging, ist in 25 Jahren oft erzählt worden. Der Interpret wurde parallel dazu immer leiser, aber an seiner Standpauke ließ er nie auch nur einen Millimeter Zweifel aufkommen. Daran hatte er schon vorab keinen, obschon beim FC Bayern die Fenster wackelten.
Einer, der genau wusste, warum es so weit kam und wie es wirklich gelaufen ist, ist Markus Hörwick. Er war bis 2016 „Mediendirektor“ der Bayern, über 30 Jahre lang.

Er kannte jeden, und jeder in München wusste, damals, wer er war. Trapattonis Schelte war unbestritten das Highlight. Was er eist einmal in kleinerer Runde in Salzburg schmunzelnd erzählt hatte, wiederholte er nun zum Jubiläum auch gegenüber der Deutschen-Presse-Agentur: „Es war wie ein Tsunami, der über den deutschen Fußball hereingebrochen ist.“

Vorbei war es da mit dem Gentleman, der sich wie eine Glucke immer schützend vor jeden Spieler gestellt hatte. Dass er „so ausflippen“ würde und „seine Spieler an die Wand klatscht“, sei für jedermann nahezu unvorstellbar gewesen, so Hörwick. Dreieinhalb Minuten dauerte diese Eruption, ausgelöst durch internes Gemauschel über zu defensive Taktik.

Mit Zetteln in der Hand, zittrig

An diesem 10. März sollte „Trapp“ mit dem Auto aus Mailand nach München zurückkommen. Handgeschriebene Zettel hatte er vor dem Auftritt in der Hand, zittrig wirkte er und legte ungebremst los. Als Pressesprecher der Bayern ist man stets auf Makellosigkeit bedacht, dieses Bild war zerborsten. Und die erste Idee, „ihn einfach wegzuzerren vom Podium“ auch schnell verworfen. Wie hätte das erst ausgesehen?

APA/HELMUT FOHRINGER

Es liefen ja Live-Kameras. Also sagte der Italiener, was er sagen musste.
Seine Sichtweise der Berufsauffassung änderte sich nie. Ob bei AC Milan, Juventus, Inter, Bayern, Cagliari, Florenz, Squadra Azzurra, Benfica, Stuttgart, Salzburg, Irland oder Vatikanstadt und 21 nationalen und internationalen Titeln: seine Meinung änderte der „Maestro“ nie. Und wer einmal zu oft nachfragte in der Krise, bekam auch zehn Jahre nach der Wutrede noch eine zarte Kostprobe serviert. „Wörter sind sehr einfach. Wer kann machen, machen. Wer kann nicht machen, sprechen. Wer kann nicht sprechen, der schreiben“ – das polterte er einst in Salzburg in den Raum. „bla bla bla bla! Was verstehen?"

Trapattonis Popularität, er wird am nächsten Freitag 84 Jahre alt, tat das keinen Abbruch. Dem Fußball hat er seit Jahren, seiner Frau Paola zuliebe, den Rücken gekehrt. Sie leben in Cusano Milanino, in der Lombardei. Cholerische Ausbrüche waren einmal, jetzt liebt er die Ruhe und klassische Musik, für große Komponisten hatte er stets ein  Faible. Womit geklärt ist, warum er in Salzburg war: „Wer Mozart hört, kann auch besser Fußball spielen.“

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