Lokalkritik

Lokalkritik aus dem Il Penello Downtown

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Ein neuer Innenstadt-Japaner, pardon, -Italiener, der an „Scurrilità“ kaum zu übertreffen ist.

Fast ist man versucht, nach Stäbchen und Sojasauce zu fragen, aber tut es dann doch nicht. Wir befinden uns hier schließlich in allererster Wiener Lage, am Franziskanerplatz, direkt im Haus, wo einst Netrebko residierte und sich auch sonst einige Prominenz verbirgt. Sogar einen Schanigarten hat man ergattert – einige weiße Tischchen stehen vis-à-vis der Franziskanerkirche. Glauben musste daran aber bisher nur das Gasthaus Pöschl — es hat seinen Außenbereich an den neuen Nachbarn abgeben müssen. Ob das dem Zusammenleben zuträglich ist? Gemein haben die beiden jedenfalls nicht viel. Das Pöschl vertritt recht solide seine, also die Wiener Küche. Der Neuzugang die seinige, also italienische eher, nun ja, lieblos. Dabei hat man das Allerbeste gehofft, so herzlich der Empfang der ausschließlich Italienisch parlierenden Kellnerin war. Selbst nach dem dritten Tischwechsel verlor sie nicht die Geduld. Es war aber auch schwer.

Zur Auswahl standen zu kleine Bistrotischchen in steilen Nischen direkt in der Auslage. Oder zu eng gestellte ­Bistrotischchen im Durchgang. Die Tischtücher sind kariert. Der Pfeffer steht im Streuer bereit. Dafür hängen an den Wänden Lichterketten, Knoblauch- und Pfefferoni-Zöpfe, während das Restaurant selbst versucht, eine Autobahn-Raststation zu mimen, die ein italienisches Dörfchen mimt. Über eine Ecke spannt sich sogar eine Wäscheleine. In welchem Musical spielen wir? „Il Pennello“, der „Pinsel“, der hier seinen dritten Akt eröffnet hat — nach einer (mittlerweile geschlossenen) Pinseria am Börseplatz und der Ur-Pinsel-Pizzeria im 14. Bezirk. Im „Downtown“-Pinsel gibt es jedenfalls keine Pizza. Auch keine Pasta, obwohl versichert wird, dass eine solche „frische“ demnächst im als Altglas-Lager dienenden Hinterzimmer vorgesehen ist; man passiert es am Toiletten-Weg, der sich als Tour durch Wiens geheime Hinterhöfe entpuppt. Der einzige Geheimtipp, den man hier empfehlen kann. Die Kombination Foccaccia und „Crudità“, also roher Fisch, auf die man, warum auch immer, spezialisiert ist, sollte zu Recht einer bleiben. Die etwa mit Carpaccio und Trüffel gefüllte Foccaccia (14,80 Euro) ist lauwarm, vor allem aber nicht knusprig. Der „Riesenmozzarella mit Mini-Mozzarella gefüllt“ (23,50) – lustig, aber aus. Die Meeresfrüchte ebenfalls. Also bringt man besagte dick geschnittene, geschmacklose Sashimi-Berge auf Massen von Eis (45). Mit Granatpfelkernen. Und Dille! Das ist nicht Crudità, sondern Crudeltà, zumindest „Scurrilità“. Scusi!

Il Pennello Downtown, Franziskanerplatz 1, 1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/288 37 60, Restaurant: Mi–So 11–22 Uhr., www.diepresse.com/essen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2023)

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