Protesttag in Israel

Drei Verletzte durch Schüsse im Zentrum von Tel Aviv

Großeinsatz nach Schüssen in der israelischen Metropole Tel Aviv.
Großeinsatz nach Schüssen in der israelischen Metropole Tel Aviv.REUTERS
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Im Zentrum von Tel Aviv hat sich offenbar ein Anschlag ereignet. Der Täter wurde von der Polizei „neutralisiert“. In Tel Aviv und anderen Städten fanden den ganzen Tag über Demonstrationen statt.

Bei einem Anschlag im Zentrum von Tel Aviv sind am Donnerstagabend mindestens drei Menschen durch Schüsse verletzt worden. Das Ichilov-Krankenhaus teilte mit, einer der Verletzten schwebe in Lebensgefahr. Das israelische Fernsehen berichtete, der palästinensische Täter sei von Polizisten erschossen worden. Es handle sich um ein 23 Jahre altes Mitglied der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Organisation Hamas. Die Polizei suche noch nach möglichen Helfern des Täters.

Der Anschlag ereignete sich, während zahlreiche Menschen auch in Tel Aviv gegen die kontroverse Justizreform in Israel demonstrierten. Die Schüsse fielen auf der belebten Dizengoff-Straße ganz in der Nähe des Orts eines Anschlags, bei dem ein Palästinenser im April vergangenen Jahres drei Israelis getötet und weitere verletzt hatte. Ein Anrainer berichtete, er habe laute Schreie gehört. "Die Menschen sind in alle Richtungen geflohen", erzählte er. "Es war wie bei dem letzten Anschlag - es ist ein schreckliches Gefühl."

Netanjahu will weiter „in unserem Land bauen"

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der sich gegenwärtig zu einem Besuch in Rom aufhält, sprach von einem "schweren Anschlag in Tel Aviv". Man werde trotzdem weiter "in unserem Land bauen, tiefe Wurzeln in unserer Heimat schlagen und unsere gemeinsame Zukunft sichern".

Die Lage in Israel und den Palästinensergebieten ist seit längerem sehr angespannt. Am Donnerstagmorgen hatten israelische Soldaten nahe Jenin im Westjordanland drei militante Palästinenser in einem Fahrzeug erschossen.

Bereits am Dienstag waren bei einem israelischen Militäreinsatz in Jenin sechs Palästinenser getötet worden. Nach Angaben der Armee war auch der Palästinenser, der für einen tödlichen Anschlag auf zwei israelische Brüder in Huwara Ende Februar verantwortlich sein soll, unter den Toten. Er war nach Medienberichten Mitglied des militärischen Arms der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas-Organisation.

Seit Beginn des Jahres wurden 13 Israelis und eine Ukrainerin bei palästinensischen Anschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 76 Palästinenser ums Leben - sie kamen etwa bei Konfrontationen mit der israelischen Armee oder bei eigenen Anschlägen ums Leben. Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan, der in knapp zwei Wochen beginnt, wird eine weitere Eskalation der Gewalt befürchtet.

„Tag der Störung“ gegen israelische Justizreform

Mit einem landesweiten "Tag der Störung" haben am Donnerstag in Israel Tausende Menschen gegen die geplante Justizreform der rechts-religiösen Regierung protestiert. In zahlreichen Städten gab es Kundgebungen. In der Küstenstadt TelAviv schwenkten Demonstranten blau-weiße Nationalflaggen und blockierten die Schnellstraße nach Jerusalem. Außerdem verschlossen sie die Eingänge zahlreicher Schulen mit Ketten.

Die Demonstranten kamen auch zum internationalen Flughafen Ben Gurion bei TelAviv und blockierten dort Zufahrtsstraßen. Ziel war, den Abflug von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Italien zu verhindern. Nach Medienberichten kam Netanjahu mit einem Hubschrauber zum Flughafen, um die Sperren zu umgehen. Am Freitag steht in Rom ein Treffen mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf dem Programm. Polizisten verteilten Strafzettel an Autofahrer, die an der Blockade teilnahmen.

Der Protest fand auch zur See statt: Vor der Küste waren Teilnehmer mit zahlreichen Booten und Surfbrettern unterwegs. Sie sperrten nach Angaben der Veranstalter auch den Zugang zum Hafen von Haifa. Der Rundfunk berichtete, insgesamt seien 14 Demonstranten festgenommen worden. Mehrere tausend Polizisten waren landesweit im Einsatz. Es gab Beschwerden über übertriebene Polizeigewalt.

Proteste Donnerstagabend in Tel Aviv.
Proteste Donnerstagabend in Tel Aviv.APA/AFP/JACK GUEZ

Präsident gegen Justizreform

Israels Präsident Yitzhak Herzog rief unterdessen die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu auf, die umstrittene Justizreform aufzugeben. Stattdessen sollte die Regierung Reformen anstreben, die eine breite Unterstützung fänden, sagte er in einer TV-Ansprache am Donnerstag. Es bestehe Einigkeit in den meisten Fragen der Reform, wenn auch nicht in allen. "Sicherlich genug, um die derzeit vorgeschlagene Gesetzgebung aufzugeben und stattdessen einen anderen vereinbarten Entwurf zur Diskussion zu stellen", forderte Herzog.

Die Justizreform schreitet trotz heftiger Proteste voran. Nach Medienberichten könnte sie im Schnellverfahren bis April abgesegnet werden. Nach Plänen der Regierung soll es dem Parlament künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem sollen Politiker bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten. Das Vorhaben könnte dem Regierungschef auch in einem schon länger laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.

Oppositionsführer bangt um Demokratie

Oppositionsführer Yair Lapid äußerte im Gespräch mit der Nachrichtenseite ynet die Sorge, nach Umsetzung der Reform könnte es in Israel "nie wieder Wahlen" geben. "Es wird hier keine Demokratie mehr geben", warnte Ex-Ministerpräsident Lapid, der im vergangenen Jahr die Wahl gegen Netanjahu verloren hatte. Experten haben auch vor katastrophalen Auswirkungen der Reform auf die israelische Wirtschaft gewarnt. Auch die USA und die deutsche Bundesregierung äußerten sich besorgt.

(APA/dpa/Reuters)

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