Deutschland

Hamburg: "Glücklicher Zufall", dass nicht mehr Personen starben

GERMANY-CRIME-SHOOTING
GERMANY-CRIME-SHOOTINGAPA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
  • Drucken

Im Stadtteil Alsterdorf tötete ein 35-Jähriger, ehemaliges Mitglied der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas, sechs Erwachsene, ein Ungeborenes im Mutterbauch und später sich selbst. Die Polizeieinheit war in der Nähe.

Der Amokläufer in einem Gebäude der Zeugen Jehovas  in Hamburg tötete am Donnerstagabend sieben Menschen, bevor er sich selbst erschoss, sagte Innensenator Andy Grote bei einer Pressekonferenz. Bei den Opfern handle es sich um Frauen und Männer zwischen 33 und 60 Jahren. Zu den Toten zählt die Polizei auch ein ungeborenes Kind, das im Mutterleib getroffen wurde. Acht Personen seien verletzt worden, vier davon schwer. 20 seien unverletzt gerettet worden. "Eine Amoktat dieser Dimension - das kannten wir bislang nicht. Das ist die schlimmste Straftat, das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte unserer Stadt."

Der Tatverdächtige, ein 35-Jähriger, war ehemaliges Mitglieder der Glaubensgemeinde der Zeugen Jehovas. Er sei zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten, habe aber legal eine Waffe besessen, hieß es. Er habe die Gemeinde vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber nicht im Guten verlassen. Ein Motiv ist noch nicht bekannt. Die Polizei schließt eine psychische Erkrankung nicht aus.

In seiner Wohnung wurde auch eine größere Menge Munition gefunden. Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Ralf Peter Anders, sprach von 15 geladenen Magazinen mit jeweils 15 Patronen und vier Schachteln Munition mit weiteren 200 Patronen. Außerdem wurden Laptops und Smartphones sichergestellt, die noch ausgewertet werden.

Polizisten verschafften sich Zugang zum Gebäude

Dass dem Täter nicht mehr Personen zum Opfer fielen, begründete die Hamburger Polizei mit ihrem schnellen Eingreifen. Sie spricht von einem "glücklichen Zufall", dass die neue Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) am Donnerstagabend gerade im Stadtteil Alsterdorf in der Nähe des Tatorts war - der Stützpunkt ist in unmittelbarer Nähe. Die Tür sei verschlossen gewesen. Die Kollegen hätten sich mittels Schusswaffe Zugang verschafft. Dabei hätten die Einsatzkräfte permanent Schüsse aus dem Gebäude gehört und den in den ersten Stück flüchtenden Täter wahrgenommen.

Die tödlichen Schüsse waren am Donnerstagabend gegen 21.00 Uhr während einer Veranstaltung im Gebäude der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Alsterdorf gefallen. Das hatte zu einem Großeinsatz geführt. Streifenwagen mit Blaulicht hatten den Tatort am Abend weiträumig abgesperrt. Beamte mit Maschinenpistolen sicherten den Bereich zusätzlich ab. Unmittelbar nach den Schüssen waren alle Fenster des Gebäudes hell erleuchtet, ein Hubschrauber war in der Luft, zahlreiche Rettungswagen standen in den Straßen. Bis in den Vormittag waren die Ermittler zur Spurensuche am Tatort unterwegs. Die ersten Leichen wurden mittlerweile abtransportiert.

Die Zeugen Jehovas zeigten sich "tief betroffen". "Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen. Die Seelsorger der örtlichen Gemeinde tun ihr Bestes, ihnen in dieser schweren Stunde Beistand zu leisten", hieß es in einem Statement auf der Website der Gemeinschaft.

Polizeieinsatz am Tatort
Polizeieinsatz am Tatort (c) REUTERS (FABIAN BIMMER)

Deutscher Kanzler Scholz „fassungslos“

Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich am Freitag entsetzt. "Wir sind fassungslos angesichts dieser Gewalt", sagte er. Der frühere Erste Bürgermeister der Hansestadt sprach von einer brutalen Gewalttat. Es sei zu befürchten, dass es weitere Opfer zu beklagen gebe. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und Angehörigen", fügte Scholz hinzu. Er dankte den Sicherheitskräften und Seelsorgern, die im Einsatz sind.

Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung. Die Anhänger glauben an Jehova als "allmächtigen Gott und Schöpfer" und sollen sich strengen Vorschriften unterwerfen. Sie sind davon überzeugt, dass eine neue Welt bevorsteht und sie als auserwählte Gemeinde gerettet werden. Weltweit haben die Zeugen Jehovas etwa acht Millionen Mitglieder. Die "Weltzentrale" ist in New York. Die deutsche Gemeinschaft mit weniger als 200.000 Mitgliedern gehört zu den größten in Europa. In Österreich gibt es laut ihrer Homepage etwas über 22.000 aktive Zeugen Jehovas.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Deutschland

Anonymes Schreiben warnte vor Amokläufer von Hamburg

Der 35-jährige Philipp F. erschoss Donnerstagnacht sieben Menschen und dann sich selbst in einem Gotteshaus der Zeugen Jehovas. Ein rascher Spezialeinsatz rettete viele Menschenleben. Die Hamburger Polizei hatte eine Warnung erhalten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.