Junge Forschung

Neue Lösung für die kranke Niere

Rebecca Herzog
Rebecca HerzogCaio Kauffmann
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Eine spezielle Dialyse nutzt das Bauchfell, um den Körper zu entgiften. Das geht nicht ewig. Rebecca Herzog forscht daran, wie dabei Lithiumchlorid mehr Perspektive geben kann.

Viele Menschen haben eine Nierenfunktionseinschränkung, aber wenn die Nieren gar nicht mehr funktionieren, braucht man die Dialyse. Weltweit müssen etwa drei Millionen Menschen mit dem Verlust der Nierenfunktion kämpfen. Jedes Jahr kämen weitere fünf bis acht Prozent hinzu, sagt Rebecca Herzog von der Med-Uni Wien. Der Körper kann dann Stoffwechselprodukte nicht mehr aus dem Blut filtern, was durch Dialyse künstlich erfolgen muss.

„Es gibt zwei Arten der Dialyse. Einerseits die Hämodialyse, also die klassische Blutwäsche, für die man dreimal in der Woche im Spital mehrere Stunden an der Maschine hängt. Und dann gibt es noch die Bauchfelldialyse, die mein Forschungsgebiet ist.“ Dabei wird das Bauchfell als Filter verwendet, was den Vorteil hat, dass sie zu Hause durchgeführt werden kann. „Man kann normal in die Schule gehen oder arbeiten“, beschreibt die ausgebildete biomedizinische Analytikerin die Vorzüge der Bauchfell- oder Peritonealdialyse (PD).

Zellen im Bauchfell schützen

Allerdings gibt es einen Haken, wie Herzog erklärt: „Mit der Zeit kommt es zur Erschöpfung des Bauchfells, es kann nicht mehr als Filter verwendet werden. Dann müssen die Patienten und Patientinnen trotzdem auf die Hämodialyse umgestellt werden.“ Hauptverantwortlich für die Gefäßschäden und Vernarbungen im Bauchfell ist die Dialyselösung, die über einen implantierten Katheter in den Bauchraum der Betroffenen eingeleitet wird. „Wir versuchen, diese Lösungen besser zu machen, indem wir etwas zugeben, das den Zellen im Bauchfell hilft, sich besser zu schützen.“

Der Zusatz, von dem Herzog spricht, ist Lithiumchlorid, welches schon lang in der Psychiatrie als Medikament eingesetzt wird. Die Verwendung eines bekannten Medikaments für andere Behandlung bezeichnet man als Drug Repurposing.

„Ein Vorteil dabei ist, dass die Zulassung schneller geht, weil man Nebenwirkungen schon kennt. Und es ist billiger, weil man die Sicherheitsdaten in jahrzehntelangen Studien untersucht hat“, so die am Christian-Doppler-(CD-)Labor für Molekulare Stressforschung in der Peritonealdialyse tätige Forscherin. „Das heißt, es hat das Potenzial, den Patienten und Patientinnen schneller zu helfen.“ Die Wirkung von Lithium in der PD-Lösung hat das Team um Herzog im Fachjournal Science Translational Medicine publiziert. „Normalerweise sterben Zellen, wenn man sie etwas Nichtphysiologischem aussetzt. Aber wenn man Lithium zusetzt, überleben sie besser“, erklärt sie.

Das Überleben allein löst allerdings das Problem nicht, denn auch die Vernarbung muss verhindert werden. Eine Gruppe von Proteinen, die sogenannten Transkriptionsfaktoren spielen hierbei eine Rolle. „Diese Proteine gehen in den Zellkern, um dort bestimmte Programme einzuschalten, zum Beispiel ein Vernarbungsprogramm. Und Lithium verhindert, dass solche Prozesse gestartet werden“, sagt Herzog. In der Veröffentlichung zeigten die Forscherinnen und Forscher, dass nicht der Transkriptionsfaktor selbst die Ursache bei der PD ist, sondern ein Schutzprotein namens αB-Crystallin. „Wenn dieses Protein nicht produziert wird, kann es auch den Transkriptionsfaktor nicht mehr schützen, und wir glauben, dass dadurch die Zellen besser überleben“, fasst Herzog die Ergebnisse der Versuche in der Zellkultur und im Tiermodell zusammen.

Bande auf der ganzen Welt knüpfen

Um das spezielle Dialysemodell, das für diese Versuche nötig ist, in Wien verwenden zu können verbrachte sie während ihres Doktorats ein halbes Jahr in Spanien. „Auf der ganzen Welt konnte das nur diese eine Arbeitsgruppe“, so Herzog. Nicht nur durch diesen Auslandsaufenthalt, sondern auch durch die internationale Zusammenarbeit hat sie heute Freundinnen und Freunde auf der ganzen Welt. In ihrer Freizeit genießt Herzog es, sie zu besuchen: „Ein Vorteil an meinem Job ist, dass er mit Reisen und Leute-Treffen verbunden ist. So kann ich mir Orte anschauen, die ich sonst nicht sehen würde.“ Und manchmal wird es dann doch auch mit Arbeit kombiniert.

Zur Person

Rebecca Herzog (36) forscht an Nierenersatztherapien im Christian-Doppler-Labor an der Kinderklinik der Med-Uni Wien. Im Rahmen des Dissertationsprogramms POeT (Programm für Organersatz und Transplantation) schloss die biomedizinische Analytikerin 2017 ihr Doktorat ab. 2022 erhielt sie ein Elise-Richter-Projekt des österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF).

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2023)

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